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       # taz.de -- Familienpolitik in Deutschland: Herdprämie macht dumm
       
       > Kinder entwickeln sich dann am besten, wenn sie in ihrem ersten
       > Lebensjahr zu Hause betreut werden. Erst danach sollten sie in die Kita
       > gehen.
       
   IMG Bild: Schnuller. In einer Kindertagesstätte
       
       KritikerInnen des Betreuungsgeldes dürften sich bestätigt fühlen: Viele
       Familien mit Migrationshintergrund und bildungsferne Eltern beantragen
       lieber die „Herdprämie“, anstatt ihre kleinen Kinder in die Kita zu
       bringen. Das zeigt jetzt der Abschlussbericht einer groß angelegten Studie
       des Deutschen Jugendinstituts München (DJI) und der Technischen Universität
       (TU) Dortmund.
       
       145.769 Familien bekamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im
       ersten Quartal dieses Jahres Betreuungsgeld. Rund 100.000 Elternpaare von
       ihnen haben die ForscherInnen des DJI und der TU Dortmund befragt. Über die
       Hälfte von denen, die keinen Beruf oder nur einen Hauptschulabschluss
       haben, ziehen das Betreuungsgeld einer Kitabetreuung vor.
       
       Von den Eltern, die die Schule mit der mittleren Reife beendet haben,
       halten das nur 14 Prozent für besser. Bei den Akademikern verringert sich
       der Anteil auf 8 Prozent. Von den Familien mit Migrationshintergrund
       beantragen 87 Prozent Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 100 Euro (ab
       August 150 Euro) für ihre Töchter und Söhne unter drei Jahren.
       
       ## Der Lernmöglichkeiten beraubt
       
       Die ForscherInnen sind sich einig: Diese Art der Familienförderung treibe
       die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter voran und raube Kindern
       Lernmöglichkeiten. Gerade Kinder, die eine frühe Bildung und ein
       erweitertes soziales Umfeld besonders nötig hätten, weil ihnen das zu Hause
       nicht ausreichend geboten werde, würden durch das Betreuungsgeld
       benachteiligt.
       
       Vor diesem Phänomen warnen PolitikerInnen von Grünen, SPD und Linkspartei
       seit Beginn der heftigen Debatten über die „Herdprämie“, die die vergangene
       schwarz-gelbe Koalition auf Betreiben der CDU im Sommer 2013 eingeführt
       hatte. Nun ist die Diskussion wieder entbrannt.
       
       „Gerade bei der Sprachförderung zeigt sich, wie wertvoll die Betreuung und
       Bildung in einer Kita ist“, betonte jetzt etwa Hamburgs SPD-Sozialsenator
       Detlef Scheele. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen in
       Nordrhein-Westfalen und schulpolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion,
       Sigrid Beer, sagte: „Erwiesen ist auch, dass das Betreuungsgeld die
       Bildungsungleichheit verschärft und damit falsche Anreize setzt.“
       
       ## „Ideologischer Tiefschlag sondergleichen“
       
       Die CSU sieht das anders. Als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnete Emilia
       Müller, Sozialministerin in Bayern, die Leistung. Christine Haderthauer,
       Chefin der Bayerischen Staatskanzlei, nannte die Wertung der ForscherInnen
       einen „ideologischen Tiefschlag sondergleichen gegen alle Eltern von
       Kleinkindern“. Am häufigsten wird die Leistung in Bayern nachgefragt. Dort
       bezahlen allerdings auch einige berufstätige Mütter mit diesem Geld
       anteilig die Kosten für eine „Nanny“.
       
       Wie wichtig eine „fremde“ Kinderbetreuung sein kann, weist auch die
       sogenannte Nubbek-Studie nach. Mit der „Nationalen Untersuchung zur
       Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ haben namhafte
       Forschungseinrichtungen im vergangenen Jahr bundesweit die Lage von Kitas
       unter die Lupe genommen.
       
       Ein Ergebnis: Kinder, die schon mit einem oder mit zwei Jahren in die Kita
       gebracht werden, weisen wesentlich höhere Sozial- und Alltagskompetenzen
       auf als diejenigen, die erst später oder gar nicht in die Kita gehen.
       Besonders gut entwickeln sich laut Nubbek Kinder, die im ersten Lebensjahr
       zu Hause und danach in einer Kita betreut werden.
       
       27 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
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