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       # taz.de -- Paramilitärs im Dienste Chiquitas: US-Gericht „nicht zuständig“
       
       > Der Bananenkonzern Chiquita hat insgesamt 1,7 Millionen Dollar an
       > Kolumbiens Paramilitärs gezahlt. Für die Folgen aber soll er nicht
       > verantwortlich sein.
       
   IMG Bild: Bananenverladung von Chiquita in Gulfport, Missouri. Inzwischen hat der Konzern seine kolumbianische Tochter Banadex verkauft.
       
       BERLIN taz | Ein Bundesberufungsgericht in Florida hat eine Klage von über
       4.000 KolumbianerInnen gegen den Chiquita-Konzern abgewiesen. Die
       rechtliche Zuständigkeit eines US-Gerichtes sei in dem Fall nicht gegeben,
       argumentierten zwei der drei RichterInnen.
       
       Die KlägerInnen, Angehörige von Opfern der früheren kolumbianischen
       AUC-Paramilitärs, werfen dem Bananenkonzern Chiquita vor, zwischen 1997 und
       2004 insgesamt rund 1,7 Millionen Dollar an die AUC gezahlt und damit deren
       Gewaltverbrechen gefördert zu haben.
       
       Dass die Summe bezahlt wurde, hat Chiquita bereits zugegeben. Ein
       entsprechendes Strafverfahren endete 2007 mit einem Schuldeingeständnis des
       Konzerns, der eine Geldstrafe von 25 Millionen Dollar an die US-Staatskasse
       bezahlte. Mit der jetzt abgewiesenen Klage hofften die Angehörigen, vom
       Konzern Entschädigungszahlungen zugesprochen zu bekommen.
       
       In [1][ihrer Begründung] erklären zwei der drei RichterInnen, die
       Nichtzuständigkeit von US-Gerichten ergebe sich insbesondere aus dem Urteil
       des Obersten Gerichtshofes im Fall Kiobel vs. Royal Dutch Petroleum aus dem
       Jahr 2013. Dabei ging es um den Versuch nigerianischer Opfer, dem
       Shell-Konzern zugeschriebene Verbrechen aus den 90er Jahren vor einem
       US-Gericht anhängig zu machen.
       
       ## Tendenz der ablehnenden Rechtsprechung
       
       Rechtsgrundlage war der sogenannte Alien Tort Statute (ATS), ein Gesetz aus
       dem Jahr 1789, das US-Gerichten grundsätzlich die Zuständigkeit in Fällen
       der Verletzung internationalen Rechts zubilligt. In den letzten Jahren
       hatten zunehmend Menschenrechtsorganisationen versucht, auf dieser
       Grundlage auch außerhalb der USA begangene Verbrechen in den USA anhängig
       zu machen – zumeist gegen Unternehmen, die auch in den USA stark vertreten
       sind.
       
       Während viele dieser Klagen in den unteren Instanzen zugelassen wurden, hat
       sich in den Folgeinstanzen zuletzt eine Rechtsprechung etabliert, die
       explizit zu verhindern sucht, dass all diese Fälle in den USA landen – so
       hatte im Januar auch der Oberste Gerichtshof argumentiert, als er die Klage
       von Angehörigen verschwundener [2][argentinischer Arbeiter gegen den
       Daimler-Konzern] zurückwies.
       
       Bei Chiquita, das seine kolumbianische 100%-Tochter Banadex erst 2004
       verkaufte, handelt es sich allerdings um ein US-amerikanisches Unternehmen,
       und die Entscheidungen über die Zahlungen an die kolumbianischen
       Paramiltärs sind im Hauptquartier in den USA getroffen worden. Damit fiel
       das Verfahren nach Überzeugung der Klägeranwälte eindeutig unter die
       Rechtsprechung der USA.
       
       Dem stimmte auch die Richterin Beverly Martin zu, die ein Minderheitsvotum
       zu Protokoll gab. „Wenn wir es versäumen, das ATS unter diesen Umständen
       anzuwenden, fürchte ich, nehmen wir Unschuldigen jede Möglichkeit, sich
       gegen von amerikanischen Unternehmen in Übersee begangene
       Menschenrechtsverletzungen zu wehren,“ schreibt sie.
       
       ## Konservative Richter in der Mehrheit
       
       Während ihre beiden Kollegen, die Richter David Sentelle und Peter Fay, von
       den konservativen Präsidenten Ronald Reagan und Gerald Ford ins Amt geholt
       worden waren, wurde Beverly Martin von Barack Obama nominiert.
       
       Ein Unternehmenssprecher von Chiquita begrüßte den Urteilsspruch. Der
       Konzern hatte die Zahlungen zwar eingeräumt, allerdings stets behauptet, er
       sei im Rahmen von Schutzgeldforderungen dazu gezwungen gewesen und habe von
       den kriminellen Aktivitäten der AUC weder gewusst noch sie beeinflussen
       können. Im Prozess wäre es vermutlich darauf angekommen, hier das Gegenteil
       zu beweisen. Immerhin: Chiquita und Banadex zahlten auch noch drei Jahre
       weiter, nachdem die USA die AUC offiziell als Terrororganisation gelistet
       hatten.
       
       Den AUC werden insgesamt rund 50.000 Morde zur Last gelegt. Offiziell 2006
       unter der Präsidentschaft von Alvaro Uribe entwaffnet und aufgelöst, sind
       viele ihrer damaligen Mitglieder bis heute unter anderen
       Organisationsnamen, aber in ähnlicher Mission, in Kolumbien aktiv.
       
       Die Kläger haben noch die Möglichkeit, vor der Hauptkammer des
       Bundesgerichts in Florida in Berufung zu gehen – oder direkt den Obersten
       Gerichtshof anzurufen.
       
       In Kolumbien läuft seit Ende 2012 ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen
       Chiquita/Banadex. Darin geht es um den Vorwurf, der Konzern habe
       wissentlich Paramilitärs als Werkschutz beschäftigt, Waffenschmuggel
       organisiert und seine Lagerräume als Waffenlager zur Verfügung gestellt.
       
       25 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://media.ca11.uscourts.gov/opinions/pub/files/201214898.pdf
   DIR [2] /!131037/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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