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       # taz.de -- 229. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Die Staatsanwältin
       
       > Kongolesische Opfer der FDLR wurden vor diesem Prozess von Deutschen
       > vernommen. Die zuständige Staatsanwältin beschreibt die Umstände.
       
   IMG Bild: Anonym und traumatisiert: Folteropfer in Vergewaltigungsklinik von Goma.
       
       BERLIN taz | Anders als die ehemaligen Kämpfer der ruandischen Hutu-Miliz
       FDLR (Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas) konnten deren
       kongolesische Opfer beim Prozess gegen die beiden FDLR-Führer Ignace
       Murwanashyaka und Straton Musoni in Stuttgart hinter verschlossenen Türen
       aussagen: per Videolink aus einem unbekannten Ort, mit strengem Ausschluss
       der Öffentlichkeit aus dem Stuttgarter Gerichtssaal. Nicht einmal ihre
       Personalien wurden den Prozessbeteiligten bekannt.
       
       Jetzt, am 7. Mai, sagte eine ermittelnde Staatsanwältin darüber aus, wie
       sie diese Opferzeugen ursprünglich befragt hatte - und das lieferte dann
       doch Einblicke in die schwierigste und heikelste Dimension dieses
       Prozesses.
       
       „Es wurden Häuser angezündet“, gibt die Staatsanwältin eine Aussage wieder.
       „Ein Zeuge schilderte, dass er immerhin noch aufgefodert wurde, sein Haus
       zu verlassen. Andere konnten das nicht mehr. In ein Haus wurde
       eingedrungen, um dort Frauen zu vergewaltigen, die sich dort aufhielten.“
       
       Eine andere Zeugenaussage, die während der Befragung der Staatsanwältin als
       Teil des Vernehmungsprotokolls auf eine Leinwand projiziert wird: „Ich fiel
       nach dem zweiten Schlag mit dem Gewehrkolben auf den Rücken. Ein Soldat hat
       mich vergewaltigt. Dabei hat er seinen Körper benutzt. Ich konnte mich
       nicht mehr wehren. Ich hatte keine Kraft mehr. In diesem Moment habe ich
       meine Jungfräulichkeit verloren... Anschließend sind die beiden Männer
       weggegangen. Ich bin dann aufgestanden, weil ich Angst hatte, dass sie
       wiederkommen. Ich bin fortgegangen. Nach einer Weile musste ich mich wieder
       setzen und ausruhen, weil ich keine Kraft mehr hatte. Ich habe dann zu Gott
       gebetet und er hat mir Kraft gegeben. Ich bin dann weitergegangen und habe
       die Straße erreicht. Dort traf ich viele andere, die auch gequält worden
       waren. Auf dem Weg haben wir nicht gesprochen, weil jeder mit seinen
       Schmerzen beschäftigt war.“
       
       ## Die Zeugen nannten die FDLR von sich aus
       
       Die Nennung der FDLR als Täter sei immer von den Zeugen gekommen und nie im
       Rahmen einer Frage suggeriert worden, betont die Staatsanwältin. „Wir haben
       niemals den Namen der Gruppe selbst zuerst erwähnt. Er kam immer von den
       Zeuginnen zuerst.“
       
       Ob die Zeugen immer von „FDLR“ gesprochen hätten, will der Vorsitzende
       Richter wissen. Nein, sagt die Staatsanwältin. Es fiel auch der Begriff
       „Interahamwe“ - die Hutu-Jugendmiliz der Regierungspartei Ruandas während
       des Völkermordes, deren Bezeichnung nach der Flucht der Milizionäre in den
       Kongo auch dort als Sammelbezeichnung für alle bewaffneten Hutu aus Ruanda
       verbreitet war. Oder „Hutu-Miliz“.
       
       Den Namen Straton Musoni habe keiner der Zeugen erwähnt. Murwanashyaka
       selten. „Viele kannten die Namen nicht.“
       
       ## "Sie waren sehr ängstlich"
       
       Es waren sehr aufwühlende Vernehmungen, bestätigt die Staatsanwältin, die
       vor Ort mit einer Dolmetscherin und einer Polizeibeamtin arbeitete, beides
       Deutsche. „Manche haben auch geweint. Einige haben spontan ihre
       Verletzungen gezeigt.“ Und es war klar: „Sie waren nur bereit, unter
       strengem Schutz ihrer Identität auszusagen.“ Sie hätten Angst vor
       Racheakten gehabt.
       
       „Wie war das überhaupt?“ fragt der Vorsitzende Richter Hettich. „Sie waren
       ja zwei weiße, beziehungsweise weißhäutige Damen.“ „Sie haben uns sehr als
       Vertreter eines fremden Staates wahrgenommen“, antwortet die
       Staatsanwältin. „Sie waren sehr ängstlich.“ Im Laufe der Befragung habe
       sich die Angst aber gelegt. „Wir haben gesagt: Diese Vernehmungen bleiben
       nicht im Kongo oder gehen nach Ruanda. Die nehmen wir mit.“
       
       Die Zeugen hätten hinterher gelobt: Noch nie seien sie so genau gefragt
       worden. „Ein Zeuge sagte hinterher, es sei gut, darüber zu berichten.“
       
       25 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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   DIR Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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