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       # taz.de -- Strittiger Schuldspruch gegen Antifaschisten: Josef S. geht in Berufung
       
       > Der Student wurde wegen Landfriedensbruch bei einem Burschenschaftlerball
       > in Wien verurteilt. Die Verteidigung will das Urteil nicht hinnehmen.
       
   IMG Bild: Polizei sichert die Hofburg während des Akademikerballs im Januar 2014.
       
       WIEN taz | Der 23jährige Student Josef S. aus Jena, der vergangenen
       Dienstag in Wien wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurde, hat über seine
       Anwälte Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet. Das umstrittene
       Urteil wegen des Vorwurfs der Teilnahme von S. an Ausschreitungen nach
       einer Demo im Januar hat eine Debatte ausgelöst, wie zeitgemäß der
       Tatbestand des Landfriedensbruchs heute noch ist.
       
       Josef S. wurde zwar nach dem Prozess freigelassen weil er die unbedingte
       Haftstrafe von vier Monaten bereits in U-Haft verbüßt hat, doch wäre er
       vorbestraft. Und acht Monate wurden auf Bewährung ausgesetzt. Durch die
       Revision zwingt Anwalt Clemens Lahner den Richter Thomas Spreitzer, sein
       Urteil schriftlich auszuführen: „Ich bin gespannt, wie das Urteil genau
       begründet wird“. Ihn habe der Staatsanwalt jedenfalls nicht überzeugt. Denn
       der habe die Aufgabe, „zweifelsfrei nachzuweisen, dass ein konkreter Mensch
       eine konkrete Straftat begangen hat“.
       
       Bewiesen sei aber nur, dass sein Mandant am 24. Januar an einer
       Demonstration gegen den rechten Burschenschafterball in der Wiener Hofburg
       teilgenommen habe. Dass er auch gegen eine Polizeistation tätlich geworden
       und Steine auf Polizisten geschleudert habe, will ein einziger Zeuge
       gesehen haben. Videos und Fotos entlasten jedoch den Jenaer Studenten.
       Lahner sprach sich auch dafür aus, den Paragraphen für Landfriedensbruch,
       der eine Verurteilung allein durch das Dabeisein ermöglicht, zu
       reformieren, abzuschaffen oder zu ersetzen.
       
       ## Ruiniert durch Anwaltskosten
       
       Damit findet sich der Anwalt einer Meinung mit vielen Juristen und sogar
       den meisten politischen Parteien. Nach § 274 Strafgesetzbuch wird mit drei
       Jahren Haft bedroht, „wer wissentlich an einer Zusammenrottung einer
       Menschenmenge teilnimmt, die darauf abzielt, daß unter ihrem Einfluß ein
       Mord (§ 75), ein Totschlag (§ 76), eine Körperverletzung (§§ 83 bis 87)
       oder eine schwere Sachbeschädigung (§ 126) begangen werde“. Die Kritiker
       sehen darin eine empfindliche Einschränkung des Grundrechts auf
       Versammlungsfreiheit.
       
       Vor kurzem musste auch schon Paragraph 278a reformiert werden, der
       eigentlich der Verfolgung krimineller Banden dient und missbraucht wurde,
       um eine Gruppe von Tierschützern zu kriminalisieren, die vor Pelzgeschäften
       demonstriert hatten. Der Prozess endete vor zwei Jahren zwar mit Freispruch
       aller Angeklagten. Doch waren diese monatelang in U-Haft gehalten worden
       und sind allein durch die Anwaltskosten wirtschaftlich ruiniert.
       
       Für Michael Genner, Chef der NGO Asyl-in-Not, war es von Anfang an klar,
       dass Josef S. verurteilt würde: „Das Lügengespinst der Anklage ist in sich
       zusammengebrochen. Nichts davon konnte belegt werden, man wollte Josef zum
       Sündenbock machen, damit sich jeder, der zu einer antifaschistischen
       Demonstration geht, davor fürchten muss, auch als Rädelsführer zu gelten“.
       Gemeinsam mit der Österreichischen Hochschülerinnenschaft (ÖH) ruft er zu
       einer Demonstration „gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus“ am
       Samstag in der Wiener Innenstadt auf.
       
       25 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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