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       # taz.de -- Europäisches Menschenrechtsgericht: Polen für Haft in CIA-Knast verurteilt
       
       > Polen hat geholfen, zwei Terrorverdächtige festzusetzen, die dann in
       > einem CIA-Gefängnis gefoltert wurden. Das Land muss Schmerzensgeld
       > zahlen.
       
   IMG Bild: Stacheldraht begrenzt ein Militärgelände im Norden Polens, auf dem ein CIA-Gefängnis betrieben worden sein soll.
       
       FREIBURG taz | Polen hat in den Jahren 2002 und 2003 ein
       CIA-Geheimgefängnis auf seinem Staatsgebiet unterstützt und dabei die
       Folter von Gefangenen in Kauf genommen. Deshalb wurde Polen jetzt vom
       Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Zwei Betroffene
       sollen entschädigt werden.
       
       Mit der Unterstützung von internationalen Menschenrechtsorganisationen
       klagten zwei islamistische Terrorverdächtige gegen Polen. Der Saudi-Araber
       Abd al-Rahim Hussein Muhammad al-Nashiri soll im Jahr 2000 am Terrorangriff
       auf das US-Kriegsschiff „Cole“ im Hafen von Aden (Jemen) beteiligt gewesen
       sein. Der staatenlose Palästinenser Sain al-Abidin Muhammad Hussein war
       einer der Planer der Anschläge vom 11. 9. 2001 in New York und Washington.
       
       Beide waren von den USA 2002 festgenommen worden und kamen über Umwege nach
       Polen. Dort wurden sie ab Dezember 2002 im nordpolnischen Dorf Stare
       Kiejkuty festgehalten. Das Gefängnis in Polen gehörte zu einem globalen
       Netz derartiger „black sites“ der CIA.
       
       Nach Feststellung des Straßburger Gerichtshofs wurden die beiden Islamisten
       dort monatelang verhört und gefoltert. Zum Einsatz kamen dabei „erweiterte
       Befragungstechniken“, bei denen die Inhaftierten gequält werden, etwa mit
       Schlafentzug bis zu elf Tagen oder mit simuliertem Ertrinken
       („waterboarding“). Teilweise wurden auch nicht genehmigte Verhörmethoden
       wie Scheinexekutionen angewandt. Al-Nashiri wurde bis Juni 2003 in Polen
       festgehalten, Abu Subaida bis September 2003. Beide sitzen heute im
       US-Internierungslager Guantánamo.
       
       ## „Hochwertige Gefangene“
       
       Das Urteil stützt sich zum Teil auf Angaben der Betroffenen, aber auch auf
       unabhängige Berichte des Europarats und des Roten Kreuzes. Zudem waren die
       beiden Terrorverdächtigen in einem CIA-Report als „high value detainees“
       (hochwertige Gefangene) bezeichnet worden, von denen man Erkenntnisse über
       terroristische Bedrohungen erhoffte und bei denen deshalb „erweiterte
       Befragungstechniken“ angewandt werden durften.
       
       Polen wurde nun verurteilt, weil es den Zweck des CIA-Geheimgefängnisses
       kannte und die Einrichtung dennoch vielfältig unterstützte, etwa indem das
       Gelände in Stare Kiejkuty, das dem polnischen Geheimdienst gehörte, der CIA
       überlassen wurde. Auch konnten getarnte CIA-Geheimflüge auf polnischen
       Flughäfen landen.
       
       Polen habe damit gegen das Folterverbot der Europäischen
       Menschenrechtskonvention verstoßen sowie das Recht der Betroffenen auf
       Freiheit, Privatleben und faire Gerichtsverfahren verletzt. Dass die
       Gefangenen von der CIA wieder aus Polen weggebracht werden konnten, habe
       sie teilweise der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt und damit das Recht auf
       Leben verletzt.
       
       Nun muss Polen den beiden Islamisten jeweils 100.000 Euro Schmerzensgeld
       zahlen. Das Urteil wurde von einer siebenköpfigen Kammer einstimmig
       gefällt. In Straßburg sind noch ähnliche Klagen wegen anderer Black Sites
       anhängig. Abu Subaida hat auch Litauen verklagt, al-Nashiri Rumänien. Wann
       verhandelt wird, ist offen.
       
       Der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Maciej Wojciechowski, sagte,
       Polen erwäge Berufung gegen das Urteil. Eine Sprecherin von Präsident
       Bronislaw Komorowski sagte, die Gerichtsentscheidung sei „beschämend“ für
       Polen und belaste das Ansehen des Landes. Polnische Politiker verschiedener
       Parteien haben die Existenz geheimer CIA-Gefängnisse in Polen bisher stets
       bestritten. „Ich halte dieses Urteil für ungerecht und unmoralisch“, sagte
       Leszek Miller, der 2003 polnischer Regierungschef war.
       
       „Das Gericht stellt das Recht von Mördern höher als das Recht der Opfer.“
       Es sei „absurd“, wenn Polen den Terrorverdächtigen umgerechnet knapp 1
       Million Zloty zahlen müsse. „Dieses Urteil freut vor allem Terroristen“,
       sagte der damalige Innenminister Krzysztof Janik. Der Fall stehe im
       historischen Zusammenhang. "Die Welt hat damals gegen den Terrorismus
       gekämpft. Der polnische Staat hat diesen Kampf für unumgänglich gehalten."
       
       24 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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