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       # taz.de -- Neue Eels-Platte: Kauzige Konstante im Pop
       
       > Mark Oliver Everett ist mit einem neuen Album zurück. Er hat schon alles
       > gesagt, der Sound ist wie gehabt und doch ist diesmal etwas anders.
       
   IMG Bild: Mark Oliver Everett – auch „E“ genannt – beim 48. Montreux Jazz Festival Anfang Juli 2014.
       
       Mit Eels-Alben ist es so eine Sache: Eigentlich hat Mark Oliver Everett in
       den ersten vier Werken seines Bandprojekts bereits alles gesagt. Das Debüt
       „Beautiful Freak“, erschienen 1996, war perfekter Pop, die darauf folgende
       Platte „Electro-Shock Blues“ die Erfindung der Eels’schen Depression. Mit
       „Daisies of the Galaxy“ etablierte Everett dann die Verbindung aus
       todtraurigen Texten und naiv-fröhlichen Melodien als seinen künstlerischen
       Fingerabdruck. Auf „Souljacker“ schließlich schepperten erstmals die
       Cock-Rock-Anleihen – augenzwinkernd, eh klar.
       
       Alles, was danach kam, klang wie die fortwährende Variation eines einzigen
       Eels-Songthemas. Das neue Album „The Cautionary Tales of Mark Oliver
       Everett“ ist dabei im ersten Moment keine Ausnahme. Das Kinderpiano, die
       Geisterorgeln, die filigranen Flöten- und Streichersätze – man hat das
       alles schon gehört. Es ist die bekannte Eels-Klaviatur, auf der Everett da
       spielt. Trotzdem klingt er auf dem neuen Album anders, intimer,
       zerbrechlicher.
       
       Die fiependen Gitarrenverstärker und Feedback-Höllen, die er auf dem
       Vorgängeralbum „Wonderful, Glorious“ beschworen hat, bleiben diesmal vor
       der Studiotür. Stattdessen spinnt Everett seine Geschichten wahlweise um
       Akustikgitarre oder Klavier. Hier noch ein Cello, da noch ein Orgelton, der
       durch den Raum wabert: Derart reduziert hat man den „Man called E“ selten
       gehört. Nur vereinzelt zieht es ihn und seine Band in traditionalistische
       Folk-Herrlichkeit („Where I’m From“) oder in Richtung Kammerpop („Lockdown
       Hurricane“, „Agatha Chang“). Ansonsten gilt: bloß kein Ton zu viel.
       
       ## Nackt und direkt
       
       Die Reduktion steht den 13 Stücken auf „The Cautionary Tales of Mark Oliver
       Everett“ gut. Ungeschminkt und ohne Schnörkel bleibt übrig, wofür die Eels
       einst bekannt wurden: eingängige Songs, die dieser Everett immer wieder
       aufs Band bringt. Kein Songwriter seiner Generation beherrscht den simplen,
       aber gewitzten Dreiminüter so wie er. Dass Everett nackt und direkt
       daherkommt, liegt wohl an der Vorgeschichte des Albums. Kurz bevor er sich
       mit seiner Live-Band an die Aufnahmen machte, ging seine Ehe in die Brüche.
       
       Unverblümt macht er seinen privaten Scherbenhaufen zum Thema, sinniert über
       allerlei Fehler und hat vor allem eins: ein schlechtes Gewissen. Darum will
       er das Album als eine Art Lehrstück verstanden wissen. „Damit andere von
       meinen Fehlern lernen können“, wie er auf der Homepage seiner Band
       schreibt. „Thought we were the lonely type / On an island of the lost / But
       it was only me / Because you got off“, singt er in „Dead Reckoning“. Noch
       deutlicher wird er bei „Gentlemen’s Choice“: „The life that I’ve led / It’s
       better unsaid / The world has no use for my kind.“
       
       Auch das ist eine Eigenheit des Bandleaders: Man nimmt Everett solche Sätze
       ab, wo sie bei anderen schnell nach traniger Befindlichkeitslyrik klingen.
       Das Leben ist dem 51-Jährigen oft genug als Arschloch begegnet. Seinen
       Vater verliert er mit 19. Seine Schwester beging Selbstmord, zwei Jahre
       später stirbt die Mutter an Krebs. Und als am 11. September eine Boeing im
       Pentagon einschlägt, sitzt seine Cousine an Bord. Kein Wunder, dass
       Eels-Songs immer auch vertonte Vergangenheitsbewältigung sind.
       
       Dass Everett über alledem seinen Humor nicht verloren hat, bedeutet umso
       mehr. Den lässt er immer wieder aufblitzen, vor allem bei den
       Live-Konzerten. Genüsslich kultiviert Everett dort seine Weirdness, tritt
       mal im Trainingsanzug, mal in Hausmeisterkittel auf. Nie aber ohne den
       talibanesken Vollbart, den er sich seit Jahren stehen lässt.
       
       Mark Oliver Everett ist zu einer kauzigen Konstante im Popzirkus geworden.
       Missen möchte man ihn nicht. Gute Songs werden schließlich nicht
       langweilig.
       
       22 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Josef Wirnshofer
       
       ## TAGS
       
   DIR Folk
       
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