# taz.de -- Kommentar Gaza-Solidarität in Frankreich: Falsche Feindbilder
> Die französische Regierung hat das Demonstrationsrecht eingeschränkt. Und
> damit Öl ins Feuer antisemitischer Kräfte gegossen.
IMG Bild: Gaza? Nein, Sarcelles, ein Vorort von Paris
Die Nahostpolitik der französischen Staatsführung und im Speziellen ihre
Haltung gegenüber der Solidarität mit Palästina steht zur Debatte. In Paris
und in Sarcelles, einem Vorort der französischen Hauptstadt, gab es bei
antiisraelischen Kundgebungen schwere Ausschreitungen. Einige Demonstranten
wollten Synagogen angreifen, in Sarcelles wurden mindestens zwei Geschäfte
jüdischer Ladenbesitzer in Brand gesteckt. In beiden Fällen fanden die
Kundgebungen trotz eines behördlichen Verbots statt. In einem Dutzend
anderen Städten dagegen waren die Demonstrationen bewilligt worden – sie
verliefen alle ohne nennenswerten Zwischenfälle.
Der kausale Zusammenhang scheint auf der Hand zu liegen: Mit ihrer
Einschränkung des Demonstrationsrechts haben die Behörden Öl ins Feuer
gegossen. Und das massive Polizeiaufgebot, das die Kundgebung verhindern
sollte, war provokativ. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit.
Entmutigend ist für einen großen Teil der Bevölkerung auch die ziemlich
einseitige Position der Staatsführung, die sich für das legitime Recht
Israels auf Sicherheit ausspricht, sich umgekehrt aber für das trostlose
Schicksal der palästinensischen Bevölkerung kaum zu interessieren scheint.
Und das ist der Nährboden für Verbitterung und Hass, für um sich greifende
Ressentiments, für den ohnehin in Frankreich schwelenden Antisemitismus. In
seiner gewaltsamen Form aber bleibt er auch bei den gegenwärtigen
Demonstrationen marginal. Die Eskalation im Konflikt zwischen Israel und
Palästina kann allerdings zu weiterer Radikalisierung führen und Spannungen
zwischen muslimischen und jüdischen Bevölkerungsgruppen schüren, die sich
gegenseitig der politischen Einseitigkeit und Mitverantwortung
beschuldigen.
Angesichts dieser Risiken darf die französische Regierung die Straße nicht
durch paradoxe Restriktionen den radikalsten Kräften überlassen. Sie setzt
sich sonst dem Verdacht aus, rückwirkend mit der Gewalt einiger
Provokateure und dem bisher marginalen Antisemitismus die eigene Repression
rechtfertigen zu wollen. Die Solidarität mit Palästina wie mit Israel muss
sich demokratisch ausdrücken können. Sonst wächst eine Frustration, die
falsche Feindbilder schafft.
21 Jul 2014
## AUTOREN
DIR Rudolf Balmer
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