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       # taz.de -- Stuttgart und S21-Polizeieinsatz: Polizeichef schwer belastet
       
       > Die Aussagen von zwei Polizisten bringen den Ex-Polizeipräsidenten Stumpf
       > in Bedrängnis. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft.
       
   IMG Bild: Gegenstand der Verhandlungen: Wasserwerfereinsatz am „Schwarzen Donnerstag“.
       
       STUTTGART taz | Drangvolle Enge herrscht am 30. September 2010 im
       Stuttgarter Schlossgarten, Trillerpfeifen übertönen alles, mehr als 2.000
       Menschen tummeln sich wie in einem Ameisenhaufen. Der Park war besetzt, die
       Polizei sollte ihn räumen, um Baumfällungen für das Bahnprojekt S21 möglich
       zu machen. Sie setzt Wasserwerfer ein. Wasserstrahle mit 16 Bar Druck
       werden in die Menge geschossen, sie zerfetzen Schirme, blasen Menschen um,
       spülen sie weg. Die Wasserwerferbesatzungen hätten währenddessen gefeixt,
       sagt Dietrich Wagner. „Ich hatte den Eindruck, die empfinden das wie
       Moorhuhnjagen.“
       
       Wagner ist durch den Wasserwerfereinsatz fast vollständig erblindet. Am
       Donnerstag schilderte er seine Wahrnehmung des Tages als Zeuge vor dem
       Landgericht Stuttgart. Die beiden Einsatzleiter von damals sind wegen
       fahrlässiger Körperverletzung im Amt angeklagt. Sie sollen nicht mäßigend
       eingegriffen haben, als das Wasser auf Kopfhöhe der Demonstranten
       abgeschossen wurde.
       
       Von zwei Bauernopfern war zum Auftakt der Verhandlung Ende Juni die Rede.
       Die eigentlich verantwortliche Polizeiführung um den damaligen
       Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf komme ungeschoren davon, kritisierten
       Prozessbeobachter.
       
       Doch die angeklagten Polizisten haben ihren Vorgesetzten Stumpf schwer
       belastet. Er habe schon in einem frühen Stadium des Einsatzes im
       Schlossgarten gesehen, wie sie gegen die Demonstranten vorgingen. Daraufhin
       hat die Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen Stumpf wegen
       des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt eingeleitet.
       
       ## Der Polizei naiv entgegengetreten
       
       Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Protestgruppe „Parkschützer“,
       sagt: „Wir sind sehr froh, dass die höhere Polizeiführungsebene jetzt
       vielleicht drankommt.“ Er sei erstaunt, dass die Staatsanwaltschaft so
       schnell reagiert habe. Stumpf ist im Wasserwerferprozess noch als Zeuge
       geladen.
       
       Im Zeugenstand reagierte der 77-Jährige Wagner auch auf die Vorwürfe, er
       habe sich mutwillig in den Strahl gestellt. „Ich dachte, ich könnte alles
       vorübergehend stoppen, wenn ich als Älterer mit grauem Bart winkend auf die
       Wasserwerfer zugehe.“ Er lacht. „Ich war wirklich so naiv.“
       
       Den Aufprall des Strahls hatte Wagner überrascht: „Ein Schlag, ein Knall,
       ein spitzer Schmerz. Das ging so schnell, ich habe den Strahl nichtmal
       kommen sehen“, sagte er. Wagners Augen bluteten, sein Bild ging durch die
       Medien. Für Wagner war alles schwarz. Zurückgekommen ist nach etwa fünf
       Operationen schwaches, vernebeltes Sehvermögen auf einem Auge. Seither lebt
       er mit gelben Blindenbinden an den Armen. Er ist zu 100 Prozent
       schwerbehindert.
       
       18 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lena Müssigmann
       
       ## TAGS
       
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