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       # taz.de -- Die Wahrheit: Gegen neune eingeratzt
       
       > 60 Jahre Merkel: Schaut man genauer in die Biografie der Kanzlerin,
       > entdeckt man einen pathologischen Hang zum Nichtdabeisein.
       
   IMG Bild: No-show: „Staatsbesuch? Ohne mich.“ Angela Merkel gibt Fersengeld.
       
       Als 1989 die Berliner Mauer fiel, saß Angela Merkel in der Sauna. Als der
       Nahostkonflikt 2014 wieder einmal eskalierte, sah sie sich irgendein
       Fußballspiel in Brasilien an. So weit, so bekannt. Doch schaut man genauer
       in die Biografie der Kanzlerin, entdeckt man einen regelrecht
       pathologischen Hang zum Nichtdabeisein.
       
       Bereits im Kindesalter gehen wichtige Geschehnisse an der Pfarrerstochter
       einfach vorbei. Am 17. Juli 1954 wird Bundespräsident Theodor Heuss im Amt
       bestätigt, allein die kleine Angela kriegt davon nichts mit, liegt sie doch
       wegen ihrer eigenen Geburt im Krankenhaus von Hamburg-Barmbek.
       
       Auch den historischen Meilenstein der 1960er Jahre schlechthin versäumt die
       inzwischen Pubertierende: Als Neil Armstrong die Oberfläche des Mondes
       betritt, schreibt Angela Kasner einen Leserbrief an die Zeitschrift Frösi,
       dessen Inhalt teilweise überliefert ist (es geht um die mangelhafte
       Abdichtung von Mehlverpackungen und wie „dank Einsatz von Plaste-Umgebinde
       eine den Zufriedenheitsgewinn der Bürgerinnen und Bürger der DDR
       garantierende Stiebvermeidung die Sauberkeit unserer Haushalte schön
       wiederherstellen könnte“, Zitat Kasner).
       
       Von den wilden Siebzigern bekommt Angela praktisch gar nichts mit: Während
       der Geiselnahme im Münchner Olympialager 1972 lötet sie lustige Wackelaugen
       auf eine Trompete; als Richard Nixon 1974 seinen Watergate-bedingten
       Rücktritt erklärt, knutscht sie unter der Jurorenbank der
       Weitsprung-Jugendspartakiade mit dem späteren Puhdys-Mitglied Peter „Bimbo“
       Rasym rum; als Karol Wojtyła zum Papst gewählt wird, experimentiert die
       evangelische Vierundzwanzigjährige mit schwarzer Haartönung und Henna.
       
       ## „Eine bunte Sendung geguckt“
       
       Die Achtzigerjahre sind von Merkels naturwissenschaftlicher Arbeit geprägt
       – bei fast jedem bedeutenden Geschehen sitzt sie, abgeschnitten von
       jedwelchen Medien, in Labor, Bibliothek oder Hörsaal. 1983 hat Udo
       Lindenberg seinen legendären Auftritt im Ostberliner Republikpalast –
       Angela Merkel holt derweil nach einer zwölfstündigen Testreihe mit
       Tannenzapfen und Schuhcreme im Materiallager ihr Schlafdefizit auf. 1986
       explodiert die Raumfähre Challenger – Merkel studiert im Rahmen eines
       privaten Forschungsprojekts das Verhalten von Blindmäusen in
       Ultrazentrifugen.
       
       Auch als Angela Merkel selbst politisch aktiv ist und eine immer größere
       Rolle spielt, befindet sie sich mit zuverlässiger Regelmäßigkeit zur
       richtigen Zeit am falschen Ort. Als Deutschland 1990 Fußballweltmeister
       wird, sitzt Merkel zwar vor dem Fernseher, gibt aber später zu, „eine bunte
       Sendung geguckt und Salznüsschen genascht“ zu haben und „gegen neune
       eingeratzt zu sein“.
       
       Überhaupt geht Merkel inzwischen offensiv-selbstironisch mit ihrem Faible
       fürs Verpassen um: „Ich machte gerade Sauerkrauteintopf polnischer Art, als
       die Estonia unterging“, hat Merkel neulich schmunzelnd in einem
       Brigitte-Gespräch zugegeben. Augenzeugen wollen die damalige Frauen- und
       Jugendministerin jedoch in einer übel beleumundeten Spielhalle gesehen
       haben. Auch darüber, wo sie am 11. September war, gehen die Aussagen
       auseinander. Merkel soll den Tag gemeinsam mit Helmut Kohl im
       Märchen-Erlebnispark Marquartstein verbracht haben, sagen die einen; dass
       Merkel in der Stunde der Anschläge vor dem Amtsgericht Bad Hersfeld als
       Zeugin in einem Strafverfahren gegen einen der Wildecker Herzbuben aussagen
       musste, behaupten andere Quellen. Sie selbst gibt an, den ganzen Tag lang
       über Kopfhörer Dänisch-Lernkassetten gehört zu haben.
       
       Dass Angela Merkel während ihrer eigenen Wahl zur Kanzlerin ein Moorbad und
       während ihrer Wiederwahl eine Hot-Stone-Massage genossen habe, sind indes
       nur Gerüchte – die jetzt dank der NSA-Abhörprotokolle entkräftet werden
       konnten. Und am 17. Juli? „Da hatte ich Karten für die Blue Man Group“,
       erklärt die Kanzlerin auf Nachfrage. „Wie, Geburtstag? Oh. Ach, verdammt …“
       
       17 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Torsten Gaitzsch
       
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