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       # taz.de -- Fischerei: Die Rückkehr der Scholle
       
       > Die Zahl der laichfähigen Tiere in der Nordsee ist explodiert. Die
       > Umweltverbände warnen trotzdem davor, Scholle unbesehen zu kaufen.
       
   IMG Bild: Macht sich nicht nur in der Nordsee, sondern auch im Aquarium gut: die Scholle.
       
       HAMBURG taz | Der Schollen-Bestand in der Nordsee ist so groß wie noch nie
       seit Beginn der Erfassung 1957. Nach einem Allzeit-Tief in den 90er-Jahren
       ist die Zahl der laichfähigen Tiere kontinuierlich gestiegen. Das legt
       einen Zusammenhang mit der nachhaltigen Bewirtschaftung des Bestandes seit
       2008 nahe. Die Umweltverbände WWF und Greenpeace warnen trotzdem davor,
       Scholle unbesehen zu kaufen: Beim Kauf komme es auch auf die Frage an, ob
       die Fischerei auf Schollen ökologisch verträglich ist.
       
       Fischer, Umweltschützer, Behörden und die Forschung streiten Jahrzehnten
       darüber, wie viel Fisch aus dem Meer geholt werden kann, ohne dass die
       scheinbar unerschöpflichen Bestände zusammenbrechen. Der Scholle in der
       Nordsee setzte die Fischerei so zu, dass die Zahl der laichfähigen Tiere
       Anfang der 1990er-Jahre auf ein kritisches Niveau sank: Es blieben so
       wenige Fische übrig, dass sich die Frage stellte, ob sich der Bestand
       wieder erholen würde.
       
       Seit 2004 jedoch geht es aufwärts. Seit 2008 gilt ein
       Langzeit-Managementplan der EU, der versucht, die Fangmenge so zu regeln,
       dass auf Dauer ein Höchstmaß an Schollen aus der Nordsee geholt werden
       kann. Das scheint funktioniert zu haben. „Seit 2011 legt der Bestand immer
       wieder neue Allzeithochs hin“, freut sich der Deutsche Fischerei-Verband.
       Dazu beigetragen habe wohl, dass 2008/2009, als der Treibstoff sehr teuer
       war, viele große niederländische Kutter abgewrackt worden seien. „Wenn das
       so weitergeht, können wir auf den Schollen nach Helgoland laufen, ohne nass
       zu werden“, sagt Dieter Hullmann, ein Kutter-Kapitän aus Brake.
       
       „Das vorsichtige Management hatte durchschlagenden Erfolg“, freut sich
       Karoline Schacht vom WWF. Sie weist aber darauf hin, dass auch günstige
       ökologische Rahmenbedingungen dazu beigetragen hätten, dass sich die Fische
       so stark vermehrten. Sie warnte davor, angesichts eines prognostizierten
       weiteren Allzeit-Hochs vom Managementplan abzuweichen und die Fangquoten
       über Gebühr anzuheben.
       
       Auf dem Markt gibt es heute schon ein Überangebot. „Tonnenweise Schollen
       bleiben regelmäßig auf den europäischen Auktionen stehen, weil sich selbst
       für 80 Cent pro Kilo kein Käufer findet“, klagt der Fischerei-Verband. Das
       gehe soweit, dass die hochwertigen Fische zu Fischmehl verarbeitet würden.
       
       „Wir haben in den letzten Jahren schwere Opfer gebracht, um diese
       Bewirtschaftungserfolge zu erzielen“, sagt Käpitän Hullmann. Es sei an der
       Zeit, dass die Fischer für ihre Zurückhaltung belohnt würden und eine
       „Nachhaltigkeitsdividende“ herauskomme. Die Fischer hoffen, dass die
       Nachfrage anzieht.
       
       Der WWF und Greenpeace geben regelmäßig Einkaufsratgeber für Fisch heraus.
       Beide betonen jedoch, dass es trotz der starken Vermehrung bei den Schollen
       aus der Nordsee noch immer darauf ankomme, wie sie gefangen worden seien.
       Das Fischen mit Baumkurren, die mit schweren Ketten das Netz am Boden
       halten und den Meeresboden umpflügen, halten sie für nicht tolerierbar. Aus
       Sicht des WWF gibt es eine Reihe alternativer Fangmethoden, die weniger
       schädlich sind. Greenpeace empfiehlt Nordseescholle nach wie vor generell
       nicht.
       
       „Zu den alternativen Fangmethoden gibt es keine Daten, ob die wirklich so
       nachhaltig arbeiten“, gibt Sandra Schöttner von Greenpeace zu bedenken. Es
       gebe zwar entsprechende Hinweise – weniger Bodenkontakt, weniger Beifang –,
       aber um eine Empfehlung aussprechen zu können, müsse das Vorsorgeprinzip
       gewahrt werden. Die Vermehrung der laichfähigen Schollen sei zwar ein
       erster Erfolg. „Es sind aber noch einige Leute in der Pflicht, das nach
       vorne zu bringen“, findet Schöttner.
       
       15 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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