# taz.de -- Weltmeister-Party in Berlin: Respektlos im Siegesrausch
> Die Feier der deutschen Nationalmannschaft verkommt zum
> Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korso. Da kann man auch gleich
> „Gaucho-Verlierer“ verhöhnen.
IMG Bild: Nix Samba, mehr Mallorca
Es ist gut jetzt. Wirklich. Freude – auf jeden Fall, Euphorie – okay,
[1][„Wir sind Weltmeister“-Rhetorik] – na gut. Aber dieser Hype? Und nein,
es geht nicht darum, spielverderbermäßig die [2][Leistung der Mannschaft],
den vierten Titel oder das durch das Team zum Ausdruck kommende neue
Selbstverständnis Deutschlands niederzumachen. Alles großartig, wirklich.
Aber mal ehrlich, geht’s noch? Diese grenzenlose Überhöhung ist doch irre.
Wozu die Live-Berichterstattung auf allen Kanälen auch nach dem Abpfiff in
Brasilien nur allzu gern beiträgt. ARD-Kommentator Steffen Simon möchte man
schon kaum 90 Minuten lang zuhören, wenn er ein Fußballspiel kommentiert.
Ihm zuzuhören, wie er mit unvermeidlichem Pathos – da wird die
Unsterblichkeit des Tages bemüht – die Busfahrt des Teams zur Fanmeile ans
Brandenburger Tor in Berlin begleitet, ist leider sehr viel mehr Ravensburg
als Rio.
Überhaupt fehlt dem Korso gänzlich das Flair, nix Samba, mehr Mallorca. DJ
Ötzi auf der Bühne inklusive – „Ein Stern, der Jogis Namen trägt“. Die
Höhner und Helene Fischer dürfen auch noch ran, das passt alles blendend
zur strategischen Inszenierung des DFB, die vermeintlich nah am Fan
orientiert ist. [3][#aneurerseite] wurde bereits vor der WM vom DFB als
Unterstützer-Hashtag in den sozialen Medien eingeführt, um den
Gemeinschaftsgedanken zu fördern. Was vor allem [4][Politiker] und
Prominente zu grenzwertig ahnungslosen Tweets verführte, aber dabei sein
und Fan sein ist alles.
Ginge es dann tatsächlich in Berlin nur um eine Feier der Weltmeister mit
den Fans, geschenkt, da würde man doch ein Fähnchen mitschwenken. Aber um
den Sport, die Mannschaft, die Leistung geht es bei alle dem nur am Rande,
[5][der perfekte Rahmen für die Sponsoren ist das Ziel], und niemanden
stört’s.
Die Maschine, mit der die Nationalelf ankommt, heißt dann „Siegerflieger“
und wird von der „Fanhansa“ betrieben, via Hashtag [6][#LH2014] können auf
Twitter Flugrouten und Ankunftsverzögerungen verfolgt werden. Und über
Berlin wird noch mal eine Ehrenrunde gedreht und der Fanmeile mit den
Tragflächen gewinkt. Der gute Fan ist bei der nächsten Buchung gleich
perfekt einkonditioniert auf das Unternehmen. Einmal mit der Fanhansa
fliegen, das ist es.
## Fußballmetapher!
Und danach ab in den deutschen Premium-Wagen. Denn „Weltmeister fahren
Mercedes“, wie es Fans und Zuschauern penetrant nahegebracht wird. Nicht
nur ist der ganze „Truck“-Korso eine Flotte des Autoherstellers, die
T-Shirts des Teams tragen ebenfalls den DFB-Sponsorennamen prominent am
Rücken, damit man auf gar keinen Fall an der Marke vorbeikommt – die sich
das Gros der Fans nicht leisten kann. Aber hey, es geht ja um das Spiel,
den Titel, Feiern. Hätte man glatt kurz vergessen können.
Das besorgt dann [7][Bundestrainer Joachim Löw], der – Fußballmetapher! –
den Ball am Brandenburger Tor an die Fans zurückspielt und klarmacht, dass
man ohne die Fans natürlich nicht Weltmeister geworden wäre. Anknüpfend an
das [8][Bild der bescheidenen und nicht arroganten Mannschaft], das während
der WM gezeichnet wurde.
Die absurde Inszenierung des Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korsos findet ihren
Höhepunkt im Auftritt der deutschen Mannschaft, die dann eher nichts mehr
von Bescheidenheit hat. Die Würdigung einer sportlich besonderen Leistung
gerät da im Siegesrausch zu einer kriegergleichen Überhöhung des eigenen
Selbst, in der man auch dem „Gaucho-Verlierer“ keinen Respekt mehr zollen
muss. Und die Kameras halten drauf. Da bleibt nicht mal mehr Platz für
Sponsoren-Dank. Am Ende ist vielleicht das der einzig annähernd
authentische Moment: die Spieler unverfälscht vorm Brandenburger Tor.
Ist gut jetzt. Wirklich.
15 Jul 2014
## LINKS
DIR [1] /DFB-Elf-ist-Weltmeister/!142369/
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DIR [5] /1/archiv/digitaz/artikel/
DIR [6] http://twitter.com/search?f=realtime&q=%23LH2014&src=typd
DIR [7] /Lob-fuer-Bundestrainer-Loew/!142404/
DIR [8] /Understatement-im-DFB-Team-/!142173/
## AUTOREN
DIR Rieke Havertz
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