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       # taz.de -- Aussage im NSU-Prozess: Aus der U-Haft in den Zeugenstand
       
       > Der Ex-V-Mann Tino Brandt sagt im NSU-Prozess aus. Er spielt eine
       > wichtige Rolle in der Geschichte des Terrortrios – und eine zwielichtige.
       
   IMG Bild: Früh übt sich: Tino Brandt wird 1995 nach einem Nazi-Überfall auf das Planetarium in Jena festgenommen.
       
       HAMBURG taz | Gleich drei Tage hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl im
       NSU-Prozess für die Befragung dieses Zeugen eingeplant – an dessen
       Bedeutung besteht kein Zweifel: Vom heutigen Dienstag an soll mit Tino
       Brandt der ehemalige Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) und
       wichtigste V-Mann in Thüringen vor dem Münchner Oberlandesgericht aussagen.
       
       Der zwielichtige Zeuge muss aus der Untersuchungshaft in Gera zur
       Verhandlung gebracht werden. Gegen Brandt bestehe „der dringende Verdacht
       des sexuellen Missbrauchs“, erläutert Jens Wörmann, Sprecher der
       Staatsanwaltschaft Gera.
       
       Und noch zwei weitere Ermittlungsverfahren laufen gegen den in Rudolstadt
       lebenden Ex-Neonazi-Spitzel, der von 1994 bis 2001 Informationen an den
       Verfassungsschutz lieferte. „Es geht um Versicherungsbetrug in einer
       beachtlichen Höhe“, sagt Wörmann. Seit 2012 steht Brandt im Verdacht, mit
       einer Bande durch fingierte Arbeitsunfälle größere Summen erschlichen zu
       haben. Bei einer Razzia im März 2012 beschlagnahmten Ermittler Computer und
       Datenträger.
       
       Diese Ermittlungen führten laut Staatsanwaltschaft auch zu den neuen
       Verdächtigungen. Seit 2011 soll Brandt männliche Jugendliche und
       Heranwachsende via Computer an Freier vermittelt haben. Dafür, so der
       Verdacht, habe er mehrere Wohnungen in Rudolstadt und Bad Blankenburg
       gemietet. Bis zu 60 Prozent des Geldes der Freier soll er eingezogen haben.
       Im Juni stellten Ermittler bei Brandt erneut belastendes Beweismaterial
       sicher. Wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauches sitzt der Ex-V-Mann
       nun auch in Untersuchungshaft. Ein Betroffener, der zur Tatzeit 14 Jahre
       alt war, soll ihn stark belasten.
       
       ## Verfassungsschutz ließ ihn „Progomly“-Spiel kaufen
       
       Diese Ermittlungen hätten aber alle keinen Bezug zu dem NSU-Verfahren, hebt
       Wörmann hervor. Deshalb könnte Brandt nicht in München die Aussage
       verweigern. Wie umfänglich der Exspitzel aussagt, den der Verfassungsschutz
       Thüringen unter den Decknamen „Otto“ und „Oskar“ führte und als „sehr
       vertrauenswürdige Quelle“ beurteilte, ist aber offen.
       
       Beim Verfassungsschutz war er jedenfalls redselig. Allein 47
       Quellenmitteilungen zum NSU-Trio lieferte er, gab früh an, dass Uwe
       Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Chemnitz leben könnten. In
       Absprache mit dem Verfassungsschutz bekam er Geld, um gefälschte Pässe für
       die drei zu kaufen, und erwarb deren antisemitisches Brettspiel „Pogromly“.
       
       Er selbst betont, sein Spitzelhonorar von etwa 100.000 Euro für seine
       „politische Arbeit“ genutzt zu haben.
       
       15 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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