# taz.de -- WM und Integration in Berlin: Überzeugender kann man nicht feiern
> Türken, Araber, Roma, Deutsche – gemeinsam bilden sie in Berlin-Neukölln
> nach dem Finalsieg eine schwarz-rot-goldene Feiermasse.
IMG Bild: Ein Schlandmobil Sonntagnacht in Neukölln.
NEUKÖLLN taz | Böller fliegen, tiefergelegte BMWs, geschmückt mit
Deutschlandfahnen, rasen, Frauen mit Kopftuch und Schwarz-Rot-Gold im
Gesicht jubeln. Sonntagnacht in Berlin-Neukölln. Auf der Sonnenallee
blockieren rund 150 vorwiegend junge Männer und Frauen mit so genanntem
Migrationshintergrund die Fahrbahn. Jedes Auto, das vorbeifahren will, wird
gestoppt, umrahmt und unter „Deutschland, Deutschland“-Rufen hin und her
geschaukelt. Die Fahrer reagieren mit Hupen, sehr freundlich alle.
Deutschland ist Fußballweltmeister, und die Nacht wird in Neukölln vor
allem von seinen Einwohnern zum Tag gemacht. Türken, Araber, Roma. Sie alle
feiern, liegen sich in den Armen. Mit den UrberlinerInnen und mit den
inzwischen hier angesiedelten Hipstern des Viertels, die dabei sind, aber
nicht den Ton angeben. Sie hüllen sich in Deutschlandflaggen. Sie hängen
sich aus Autofenstern. Sie bilden eine schwarz-rot-goldene Feiermasse. Hier
auf der Straße wird Integration, das gute Zusammenleben mühelos gelebt.
Kleine Jungs mit riesigen Handschuhen rennen die Straße runter. Ihre Helden
sind nicht nur Spieler wie Özil, Boateng und Khedira. Es sind auch und vor
allem Neuer und Götze. Und natürlich Schweinsteiger, der für den Sieg gar
blutete. Wer sonst über den mangelnden Integrationswillen der jungen
Migranten in Deutschland schimpft, der sollte sich die Bilder dieser Nacht
aus Neukölln ansehen. Denn die Bewohner des „Problembezirks“ identifizieren
sich in diesem Moment mit dem Land, in dem sie leben. Ihre Freude ist echt.
Und vielleicht wird nirgendwo im Land so ehrlich und überzeugt gefeiert wie
hier. In dem Bezirk, über den die Mainstreammedien meist nur im
Zusammenhang mit Jugendgewalt, Parallelgesellschaften und der benachbarten
Rütli-Schule berichten. So ein WM-Finale kann mehr erreichen als
Integrationsgipfel, Doppelpassbeschlüsse und Sprachkurse zusammen. So ein
Fest verbindet Menschen über sämtliche echte und künstliche Grenzen hinweg.
Ein schönes Bild vom neuen Deutschland.
14 Jul 2014
## AUTOREN
DIR Paul Wrusch
## TAGS
DIR WM 2014
DIR Berlin
DIR Neukölln
DIR Fans
DIR Integration
DIR Fanmeile
DIR WM 2014
DIR Fußball
DIR WM 2014
DIR Fußball
DIR WM 2014
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Weltmeister-Party in Berlin: Respektlos im Siegesrausch
Die Feier der deutschen Nationalmannschaft verkommt zum
Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korso. Da kann man auch gleich
„Gaucho-Verlierer“ verhöhnen.
DIR Presseschau WM-Finale: „Götzendämmerung“
Deutschlands WM-Sieg wird von der internationalen Presse gefeiert. Mal mit
gelungenen Worten, mal mit weniger gelungenen.
DIR Kommentar nationale Identität: Fußball, Spionage und das Kollektiv
Deutschlands aggressive Führungsrolle in der Welt wird als Verantwortung
ausgegeben. Doch eine dezente Rhetorik ist noch längst keine
Bescheidenheit.
DIR Kommentar WM-Finale: Kampf und Können
Das deutsche Team ist frei von Hybris, Joachim Löw ist lernfähig und Mario
Götze kann auch bei der WM Tore schießen. So wird man Weltmeister.
DIR DFB-Elf ist Weltmeister: Über Jahre hinaus unschlagbar?
Die deutsche Nationalmannschaft holt sich in einem knappen Finale den
vierten Weltmeisterschaftstitel. Es war ein Sieg der guten Nachwuchsarbeit.
DIR Brasilianer sind für Deutschland, weil...: Schweini und Poldi schleimen
Die schöne Stadt Teutônia liegt in Brasilien. Die Zeitung „Zero Hora“ nennt
ihren Lesern noch weitere Gründe, warum sie im Finale für Deutschland sein
sollen.