URI: 
       # taz.de -- Argentinien vor dem Finale: Ein vereinter Kontinent
       
       > In Brasilien wird vor dem Finale etwas spürbar, was es noch nie gab:
       > Sympathie für Argentinien. So populär wie Kuba ist das Land aber noch
       > nicht.
       
   IMG Bild: Messi als Messias? Die Hoffnungen des Kontinents ruhen auf dem argentinischen Superstar.
       
       RIO DE JANEIRO taz | Unter den Lateinamerikanern herrscht eine Hackordnung.
       Sie bewohnen viele Länder auf dem gleichen Kontinent, die (fast) alle die
       gleiche Sprache sprechen und einen ähnlichen kulturellen Hintergrund haben.
       Oft kommen sie bunt durcheinandergewürfelt zusammen, verstehen sich prima
       und lästern, auch gerne übereinander. Dabei wird schnell deutlich: Am
       beliebtesten sind die Kubaner und die Brasilianer, dicht gefolgt von den
       Kolumbianern. Mit Politik hat das nichts zu tun, vielmehr mit Musik und vor
       allem der Bewunderung für diejenigen, die am besten tanzen.
       
       Weniger eindeutig ist das Mittelfeld. Dort tummeln sich die Venezolaner,
       etwas umstritten sind die Mexikaner, und die Uruguayer überraschen immer
       wieder, weil sie zwar zurückhaltend, aber höchst humorvoll sind. Verzerrt
       wird die allgemeine Hackordnung natürlich durch direkte Nachbarschaft. Wie
       in Europa führen lange gemeinsame Grenzen oft zu Konkurrenz und
       Vorbehalten, manchmal auch aufgrund von Kriegen vor über hundert Jahren.
       Beispiele dafür sind Chile und Argentinien oder Peru und Ecuador. Aber
       solche Vorbehalte werden beim gemeinsamen Lästern meist übergangen.
       
       Am Ende der Beliebtheitsskala wird es wieder einfacher. Da findet sich
       Costa Rica: Das Land gilt als zu ordentlich, zu steril, zu wenig
       lebensfreudig, als ob es gar nicht dorthin gehöre. Durchaus möglich, dass
       diese WM die Vorurteile für einige Zeit korrigiert. Und ganz unten, das ist
       Konsens: Argentinien. Die Argentinier wollen lieber Europäer als Latinos
       sein, sie halten sich für was Besseres.
       
       Ein alter Witz lautet: Wie begeht ein Argentinier Selbstmord? Er klettert
       auf sein Ego und stürzt sich in die Tiefe. Zwar gibt es auch viele Witze
       über die Mexikaner, aber gegen die Argentinier sehen sogar die Ostfriesen
       blass aus. Es wird kein gutes Haar an ihnen gelassen, obwohl das Ganze auf
       einem Irrtum beruht, der aber allen bewusst ist: Nicht gemocht werden die
       Porteños, die Bewohner von Buenos Aires. Da die aber immer so vorlaut sind,
       gehen die anderen Argentinier einfach unter.
       
       ## Wer ist der Konkurrent?
       
       Beim Fußball gelten diese Lästerregeln nur bedingt. Da ist wichtig, wer gut
       spielt und damit Konkurrent ist. Und wer direkter Nachbar ist, gilt sowieso
       als (oft geschmähter) Konkurrent. Komplexer wird’s bei Weltmeisterschaften.
       Denn da gibt es erst einmal Solidarität unter den Latinos gegen alle
       anderen, einfach weil sie sich besser verstehen und mögen. Erst danach
       kommt die Hackordnung, meist eben zulasten von Argentinien. Dennoch werden
       viele Latinos für die Messi-Truppe die Daumen halten – trotz der beliebten
       Deutschen ist ihnen Argentinien doch näher.
       
       Als besonders dramatisch gilt die Konkurrenz zwischen den Nachbarstaaten
       Brasilien und Argentinien. Logisch, dass viele Brasilianer beim Endspiel zu
       Deutschland halten werden, so wie sie die Argentinier schon im Halbfinale
       gegen Holland niedergepfiffen haben. Doch das Klischee stimmt nur bedingt.
       Vergangene Woche ergab eine Umfrage des TV-Senders Globo, dass zwar 60
       Prozent grundsätzlich gegen, aber immerhin 40 Prozent für Argentinien
       seien.
       
       Dem Moderator stockte sichtlich der Atem, als er dieses für ihn und seine
       Berichterstattung überraschende Ergebnis verkünden musste. Und jetzt noch
       Neymar! Der sagte am Donnerstag, er werde Messi die Daumen drücken, weil er
       ihn als Fußballer und als Mensch verehre.
       
       12 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Behn
       
       ## TAGS
       
   DIR WM 2014
   DIR Argentinien
   DIR Brasilien
   DIR Deutschland
   DIR Messi
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Politik und Fußball in Brasilien: „Was geht mich das an?“
       
       Die Brasilianer sind wütend – und waren es auch schon vor der WM.
       Währenddessen inszenieren die Medien Pannen, Jubel und Trauer.
       
   DIR Daniel Cohn-Bendit über seine WM-Tour: „Es gibt nur einen Socrates“
       
       Der Brasilien-Reisende Daniel Cohn-Bendit über seine WM-Erfahrungen, den
       Illusionismus der brasilianischen Gesellschaft und die deutsche
       Fußball-„Maschine“.
       
   DIR Understatement im DFB-Team: Neue deutsche Sachlichkeit
       
       Nicht nur Joachim Löw spricht von Seriosität und Demut. Auch seine Spieler
       tun alles, um nicht abzuheben. Das ist schon fast gespenstisch.
       
   DIR Kommentar Spielweise Argentinien: Angst essen Fußball auf
       
       Argentiniens Trainer Sabella hat seine Mannschaft defensiv sehr gut
       eingestellt. Wie sie nach vorne spielt, weiß man auch nach dem Halbfinale
       nicht.
       
   DIR Momente eines historischen Halbfinals: Einsam und geschockt
       
       Im Halbfinale spielten die Brasilianer wie von Gott verlassen. Und das
       schwarz-rot-goldene Publikum war vor allem eines: stumm.
       
   DIR WM-Halbfinale Argentinien – Niederlande: Laaaaangweilig!
       
       Das zweite WM-Halbfinale ist wenig ansehnlich. Am Ende setzt sich
       Argentinien im Elfmeterschießen durch. Keeper Sergio Romero hält zwei
       Strafstöße.