# taz.de -- Antiziganismus in den Medien: „Jede Menge Roma“ diskriminiert
> Sinti und Roma tauchen in den Medien oft als Synonyme für Armut und
> Kriminalität auf. Eine Studie zeigt nun, dass der Antiziganismus tief
> verankert ist.
IMG Bild: Stehen asozial rum und machen Dreck: keine Sinti und Roma
BERLIN taz | Als am 15. Juni 2014 in der sonntäglichen ARD-Talkshow Günther
Jauch über das Thema „Albtraum Einbruch – Wie sicher sind wir in der
eigenen Wohnung?“ diskutierte, muss Romani Rose zusammengezuckt sein. Dort
stellte die Redaktion in einem Einspieler die These auf, dass es „jede
Menge Roma-Gruppen“ gibt, die „überall einbrechen“. Ein Beamter des LKA
Nordrhein-Westfalen wird befragt, ob das denn stimme, und der spricht von
zahlreichen „reisenden südosteuropäischen Banden“, die zum Einbrechen
kämen. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Rose
findet: „Hier wird eine Minderheit pauschal stigmatisiert.“
Auch knapp einen Monat nach Ausstrahlung der Sendung regt sich Romani Rose
am Donnerstag in der Bundespressekonferenz noch über den Beitrag auf. Er
ist zur Vorstellung der [1][Studie zu „Antiziganismus in der deutschen
Öffentlichkeit“] nach Berlin gekommen. Aus dieser geht hervor, dass nicht
nur bei „Günther Jauch“ in der ARD, sondern in vielen anderen Medien Bilder
gezeichnet werden, die Sinti und Roma diskriminieren. Teilweise unbewusst,
doch dadurch entstünden Vorurteile, die letztlich eine Ausgrenzung
begründen.
Markus End, der Autor der Studie, sagt: „Antiziganistische Darstellungen
sind in deutschen Medien weit verbreitet.“ Antiziganismus sei eine Form der
Diskriminierung, die dadurch entstehe, dass einer sozialen Gruppe bestimmte
Eigenschaften unterstellt werden. Sinti und Roma würden als „Zigeuner“
stigmatisiert und pauschal mit bestimmten negativen Eigenschaften wie
Diebstahl in Verbindung gebracht.
Bei seiner Untersuchung der Medien ist End auf zahlreiche solcher Beispiele
gestoßen, wo Sinti und Roma als Synonyme für Schlechtes verwendet werden.
Ein Hochhaus in Duisburg-Ruhrort wird in einem Zeitungsbericht mal als
„Problem-Haus“, dann als „Roma-Haus“ bezeichnet. Dadurch werde der Eindruck
erweckt, dass Roma mit Problemen gleichzusetzen seien. Ein ähnliches Muster
sieht End bei der Debatte um sogenannte „Armutszuwanderer“, die es unter
diesem Namen sogar in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung schafften.
Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien werden oftmals pauschal mit Roma
gleichgesetzt und als arm und gering qualifiziert eingestuft. Der
Internetauftritt eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders titelte zum
Thema: „Es kommen nicht nur Roma, es kommen auch Akademiker“. Aber: „Weder
sind alle Geringqualifizierten Roma, noch alle Roma gering qualifiziert“,
empört sich End darüber.
## Racial Profiling durch die Polizei
Romani Rose spricht in diesem Zusammenhang von einer „aggressiven Debatte“,
die in den Medien geführt worden sei. Und er warnt: „Das hat massive
Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben.“
Von solchen Auswirkungen berichtet auch Christine Lüders, die Leiterin der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Kaum eine andere Gruppe würde so
sehr diskriminiert wie Sinti und Roma. „Das führt insbesondere auf dem
Arbeitsmarkt zu großen Problemen“, sagt Lüders. Viele Kinder würden in
Förderschulen „abgeschoben“ und hätten später keine Aussicht auf einen Job.
Hinzu kommen das „racial profiling“ der Polizei, also überproportional
viele anlasslose Kontrollen von Sinti und Roma – vor allem an Bahnhöfen und
Flughäfen. Auch Parteien würden in Wahlkämpfen Sinti und Roma auf Plakaten
stigmatisieren.
Was also tun? Romani Rose will nicht die Kriminalitätsbekämpfung behindern,
wie er betont, sondern er fordert, dass in der Berichterstattung und in
Polizeimitteilungen auf Hinweise zur Herkunft möglicher Täter verzichtet
wird. „Man würde ja auch nicht schreiben, das war ein Jude“, sagt Rose.
Außerdem wünscht sich der Zentralratsvorsitzende künftig einen
Antiziganismusbericht – nach dem Vorbild des Antisemitismusberichts, der
jährlich im Bundestag vorgestellt wird.
## Antiziganismus „nicht dulden“
Die Grünen haben bereits beschlossen, einen entsprechenden Antrag in den
Bundestag einzubringen. „Die Studie zeigt, wie tief Rassismus gegenüber
Sinti und Roma in unserer Gesellschaft verankert ist“, begründet Tom
Koenigs, Mitglied der Grünenfraktion und Mitautor des Antrags, seine
Entscheidung. Die Ergebnisse des Berichts sollten genutzt werden, um eigene
Äußerungen zu überdenken und rassistischer Berichterstattung zu
widersprechen. „Wir dürfen nicht dulden, dass Antiziganismus
gesellschaftsfähig bleibt“, findet Koenigs.
In dem Antrag fordern die Grünen, dass dafür ein Expertenkreis gegründet
wird. PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen sollen dem Bundestag
berichten, wie Antiziganismus in Deutschland auftaucht, welche Folgen er
hat und wie er bekämpft werden könnte.
10 Jul 2014
## LINKS
DIR [1] http://www.sintiundroma.de/uploads/media/2014StudieMarkusEndAntiziganismus.pdf
## AUTOREN
DIR Henning Rasche
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