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       # taz.de -- Wolfgang Schäuble zu US-Spionage: „Das ist so was von blöd“
       
       > Der Finanzminister wirft den USA Dummheit vor. Meint aber nicht die
       > Spionage an sich, sondern die Qualität. Washington äußert sich nicht zum
       > zweiten Verdachtfall.
       
   IMG Bild: Blick auf das Verteidigungsministerium. Arbeitete dort ein zweiter Agent?
       
       BERLIN/WASHINGTON dpa | Die US-Regierung schweigt auch zu dem neuen
       Spionageverdacht gegen ihre Geheimdienste. Man habe entsprechende Berichte
       gesehen, wolle aber Ermittlungen deutscher Justizbehörden oder Behauptungen
       über Geheimdienstangelegenheiten nicht kommentieren, sagte Caitlin Hayden,
       Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, der Nachrichtenagentur dpa in
       Washington.
       
       US-Regierungssprecher Josh Earnest betonte am Mittwoch die
       deutsch-amerikanische Sicherheitspartnerschaft. Diese Zusammenarbeit stärke
       die nationale Sicherheit sowohl in Deutschland als auch in den USA, sagte
       er. Die konkreten Vorwürfe, wonach es einen Spion auch im Berliner
       Verteidigungsministerium gebe, wollte er nicht kommentieren. Er fügte
       lediglich hinzu, es gebe Gespräche zwischen deutschen Diplomaten und ihren
       US-Kollegen sowie zwischen Geheimdienst- und Justizexperten.
       
       Derweil schlägt die Bundesregierung schärfere Töne an, Bundesfinanzminister
       Wolfgang Schäuble warf den USA in der Affäre „Dummheit“ vor. Zwar hätte
       Deutschland ohne die Partnerschaft mit US-Geheimdiensten viele
       Terrorbedrohungen nicht abwehren können, sagte er nach Angaben des Senders
       Phoenix. Dies heiße aber nicht, „dass die Amerikaner drittklassige Leute
       bei uns anwerben dürfen. Das ist so was von blöd, und über so viel Dummheit
       kann man auch nur weinen. Deswegen ist die Kanzlerin da auch 'not amused'.“
       Gleichwohl fühle er sich „von den Amerikanern weniger bedroht als von
       manchen anderen in der Welt“, so Schäuble.
       
       Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass die Bundesanwaltschaft gegen einen
       mutmaßlichen Spitzel im Verteidigungsministerium ermittelt. Seit einer
       Woche sitzt bereits ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes in
       Untersuchungshaft, weil er die Amerikaner gegen Bezahlung mit geheimen
       Informationen versorgt haben soll. Auch diesen Fall hatten die USA
       offiziell nicht kommentieren wollen.
       
       ## Sondersitzung im Bundestag
       
       Am Donnerstag beschäftigt die Affäre um die Aktivitäten der
       US-Geheimdienste auf deutschem Boden den Bundestag. Das Gremium zur
       Kontrolle der Geheimdienste kommt trotz Parlamentsferien zu einer
       Sondersitzung zusammen. Es tagt grundsätzlich geheim.
       
       Die Vorgänge werden zunehmend zum Problem für die deutsch-amerikanische
       Partnerschaft, die Bundesregierung sprach am Mittwoch erstmals von
       „tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten“. In Berlin wird nun über
       Gegenmaßnahmen nachgedacht – bis hin zur Ausweisung amerikanischer
       Botschaftsmitarbeitern. In der kommenden Woche fliegt Bundesaußenminister
       Frank-Walter Steinmeier (SPD) in die USA.
       
       Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth forderte, die Gespräche mit den USA
       über ein Freihandelsabkommen sofort zu stoppen. „So kann man doch nicht
       verhandeln, solange auf der anderen Seite des Tisches einer sitzt, der die
       eigene Strategie vorher kennt“, sagte die Grünen-Politikerin der Augsburger
       Allgemeinen. Die Idee einer verstärkten Gegenspionage hält Roth für absurd.
       „Wenn wir so denken, landen wir in einem gefährlichen Strudel.“
       
       ## Noch kein Haftbefehl
       
       Der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil,
       forderte die Aussetzung sämtlicher Abkommen, die den Datenaustausch mit den
       USA regeln. „Auch das Freihandelsabkommen kann jetzt nicht einfach
       weiterverhandelt werden“, fügte er in der Neuen Osnabrücker Zeitung hinzu.
       „Spionage und vertrauensvolles Verhandeln passen nicht zusammen.“
       
       Nach Einschätzung der Linken-Parteivorsitzenden Katja Kipping muss der
       Generalbundesanwalt gegen die US-Geheimdienste ermitteln. „Der CIA-Chef hat
       keinen heißen Draht ins Kanzleramt verdient, sondern einen internationalen
       Haftbefehl“, sagte sie der Passauer Neuen Presse. „Militärspionage ist ein
       neuer Tabubruch. So sieht kein Bündnis auf Augenhöhe aus.“
       
       Der Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, gegen den nun wegen
       „Anfangsverdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit“ ermittelt wird,
       war als Referent in der Abteilung Politik tätig und soll dort für
       internationale Rüstungskooperation zuständig gewesen sein. Ein Haftbefehl
       gegen ihn wurde zunächst nicht ausgestellt, weil es bisher nur Indizien für
       seine Agententätigkeit und keinen dringenden Tatverdacht gibt.
       
       ## Erste Durchsuchungen
       
       Laut Bundesanwaltschaft wurden bei der Durchsuchung seiner Dienst- und
       Wohnräume Computer und Datenträger sichergestellt, die nun untersucht
       würden. Die Behörde ließ offen, für welches Land der Mann gearbeitet haben
       soll. Nach Informationen von dpa, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR handelt
       es sich um einen amerikanischen Dienst.
       
       Zwischen Berlin und Washington gibt es nach den Enthüllungen über den
       US-Geheimdienst NSA und das abgehörte Kanzlerhandy bereits seit einem Jahr
       Misstöne, nun wird das Verhältnis erneut schwer belastet.
       
       „Ich glaube, dass die Amerikaner einen Fehler machen“, sagte der ehemalige
       Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten
       Voigt (SPD), dem Sender hr-Info. „Der Schaden, den sie politisch anrichten,
       steht in keinem Verhältnis zu dem möglichen Nutzen, den sie durch
       zusätzliche Informationen erhalten haben.“
       
       10 Jul 2014
       
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