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       # taz.de -- Enttarnung des BND-Doppelagenten: Snowden als Nutznießer?
       
       > Edward Snowden hofft auf ein Aufenthaltsrecht im Westen. Das angespannte
       > deutsch-amerikanische Verhältnis könnte ihm da ganz gelegen kommen.
       
   IMG Bild: Nur als Aufkleber im NSA-Untersuchungsausschuss präsent: Edward Snowden
       
       KARLSRUHE taz | Edward Snowden könnte Nutznießer der neuen
       deutsch-amerikanischen Spannungen sein. Denn die Bundesregierung könnte nun
       ihre Eigenständigkeit gegenüber den USA unter Beweis stellen – indem sie
       Snowden ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt.
       
       Schon Anfang Mai benannte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags
       Snowden als Zeugen. Da er die NSA-Massenüberwachung und auch die
       Überwachung der deutschen Kanzlerin aufdeckte, ist er eigentlich der
       wichtigste Zeuge des Ausschusses.
       
       Eine Vernehmung kam bisher aber nicht zustande und eine Videobefragung
       [1][lehnte Snowden am Dienstagabend ab]. Ein entsprechendes Schreiben
       seines deutschen Rechtsanwalts Wolfgang Kaleck ging am Dienstag beim
       Ausschuss ein. Snowden, der vor einem Jahr Asyl in Russland erhalten hat,
       will dem Ausschuss nicht in Moskau, sondern in Deutschland Rede und Antwort
       stehen. Nur hier könne er frei und umfassend aussagen. Allerdings rechnet
       niemand damit, dass Snowden anschließend wieder nach Russland zurückreisen
       würde, vielmehr strebt er wohl ein sicheres Aufenthaltsrecht in Deutschland
       oder einem anderen westlichen Land an.
       
       Die Bundesregierung hat in einem Gutachten vom Mai jedoch angekündigt, dass
       sie Snowden ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verweigern will.
       „Angesichts der Tatsache, dass Snowden in den USA wegen Spionage und
       Diebstahls von Staatsgeheimnissen angeklagt ist, wäre im Falle einer
       Gewährung der Aufenthaltszusage sehr wahrscheinlich mit schweren und
       dauerhaften Belastungen des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von
       Amerika zu rechnen. Dies liefe wichtigen politischen Interessen der
       Bundesrepublik Deutschland zuwider.“
       
       Diese Interessenslage könnte sich nach Entdeckung des US-Spions im
       Bundesnachrichtendienst aber geändert haben. Das Vertrauensverhältnis zu
       den USA ist derzeit ohnehin nicht mehr gut. Die Bevölkerung erwartet von
       der Bundesregierung eine spürbare Reaktion. Da könnte die Causa Snowden
       gerade gelegen kommen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin
       Göring-Eckardt forderte am Montag, Snowden nun endlich einen „gesicherten
       Aufenthalt“ in Deutschland zu geben. „Asyl für Snowden“, das wünschen sich
       Aktivisten schon lange.
       
       Doch das Asylrecht passt nicht richtig. Schließlich kann man die in den USA
       erhobene Anklage wohl nicht als politische Verfolgung einstufen.
       Naheliegender wäre es, wenn der Bundesinnenminister Snowden „zur Wahrung
       politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ ein Aufenthaltsrecht
       gibt. Diese Möglichkeit ist im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich vorgesehen (§
       22). Innenminister de Maizière könnte zur Begründung – ganz neutral –
       darauf verweisen, die Regierung wolle nur die Arbeit des
       Untersuchungsausschusses unterstützen.
       
       Die Bundesregierung könnte Snowden sogar vorab zusagen, dass er auf keinen
       Fall in die USA ausgeliefert wird. Zwar gibt es ein Auslieferungsabkommen
       zwischen den USA und Deutschland, das grundsätzlich zur Auslieferung
       verpflichtet. Wenn es aber um eine politische Straftat geht, ist eine
       Auslieferung verboten. Da Snowden die Geheimnisse der NSA nicht enthüllt
       hat, weil er Geld verdienen wollte, sondern um den entstehenden
       Überwachungsstaat anzuprangern, ist es sehr naheliegend, dass die USA
       Snowden wegen eines politischen Delikts verfolgen.
       
       Wenn die Bundesregierung sich darauf nicht vorab festlegen will, dann würde
       ein deutsches Oberlandesgericht prüfen, ob Snowden wegen einer politischen
       Straftat verfolgt wird. An dessen Urteil wäre die Bundesregierung immer
       dann gebunden, wenn ein Auslieferungshindernis festgestellt wird. So könnte
       sich die Bundesregierung hinter einem unabhängigen Gericht verstecken. Bei
       diesem Weg wäre es allerdings schwer, Snowden vor der Einreise zuzusichern,
       dass er nicht ausgeliefert wird.
       
       Vielleicht ist die Bundesregierung aber auch mutig und schließt eine
       Auslieferung Snowdens doch von vornherein aus. Der Affront sollte sich
       eigentlich in Grenzen halten: Denn die US-Regierung müsste es insgeheim
       doch auch besser finden, wenn sich Snowden in Deutschland aufhält – statt
       ausgerechnet in Moskau.
       
       9 Jul 2014
       
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