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       # taz.de -- Münchener „Abendzeitung“: Nur noch eine Zeitung
       
       > Seit einer Woche erscheint die neue „Abendzeitung“: Von außen sieht sie
       > fast aus wie immer. Dabei hat sich drinnen viel verändert.
       
   IMG Bild: Aus der alten Redaktion in der Münchner Innenstadt sind die verbleibenden 25 Redakteure ins Westend gezogen.
       
       Ein kleiner Schock ging durch die Medienwelt, als vor drei Wochen bekannt
       wurde, dass der als konservativ geltende Verleger des Straubinger
       Tagesblattes, Martin Balle, die insolvente Abendzeitung kaufen wolle. Und
       dann auch noch dieser Satz: Ein „Boulevard-Heimatblatt“ wolle er aus ihr
       machen. Für einige Kommentatoren war das der Untergang der linksliberalen
       Zeitung.
       
       Entsprechend seiner Vorstellung hat Balle den München-Teil ins erste Buch
       befördert. Eine Strategie, die das Konkurrenzblatt tz schon seit einiger
       Zeit fährt. Die Annahme: Den Münchner Leser interessiert eben vor allem
       München. Darin unterscheidet sich die „neue“ deutlich von der „alten“ AZ.
       Die war zwar berühmt für Sport und Kultur, brachte aber auch im Politikteil
       immer wieder starke Geschichten. So deckte die preisgekrönte Redakteurin
       Angela Böhm beispielsweise die Verwandtenaffäre in der bayerischen
       Landespolitik auf.
       
       Der Politikteil findet sich jetzt im zweiten Buch, aufgefüllt mit Texten
       aus einem in Straubing produzierten Text-Pool, die meisten davon
       Agenturmeldungen. Politikredakteure sind nach der Übernahme nicht bei der
       AZ geblieben. Kommentierung, auch einst eine Stärke der AZ, findet
       überhaupt nicht statt. Eine konservative Blattlinie scheint Balle trotzdem
       nicht durchsetzten zu wollen, das würde alte Leser vergraulen.
       
       Balles Ziel lautet: Hauptsache billig. Er möchte bei möglichst geringen
       Kosten ein rentables Lokalblatt betreiben. 25 Mitarbeiter hat er aus der
       alten Redaktion übernommen. Man wolle das „typische münchnerische
       Lebensgefühl vermitteln“, schrieb der neue Chefredakteur und ehemalige
       Lokalchef Michael Schilling in der ersten Ausgabe. Deswegen soll es auch
       weiter die „Bussi, Bussi“-Berichte geben – Beobachtungen aus der Münchner
       „Szene“.
       
       ## Bussi Bussi trifft sich spät
       
       Das Problem ist aber: Die Bussi-Bussis treffen sich am liebsten abends,
       genauso wie die Spieler des FC Bayern. Nur sind Redaktionsschluss und
       Andruck jetzt deutlich früher, da die AZ in Straubing gedruckt wird. Wer
       über Kultur- oder Sportereignisse vom Abend lesen will, muss auf den
       übernächsten Tag warten. Zum WM-Viertelfinalspiel der deutschen
       Nationalmannschaft brachte die AZ genau eine Seite, die tz druckte am
       selben Tag sieben Seiten.
       
       Abendzeitung war einmal, „jetzt ist sie nur noch eine Zeitung“, sagt ein
       ehemaliger AZ-Redakteur. Die meisten ehemaligen Mitarbeiter befinden sich
       momentan in einer Transfergesellschaft, sind also noch auf der Suche nach
       neuer Beschäftigung. Manche haben schon eine neue Stelle, wiederum andere
       haben das Angebot abgelehnt, bei der AZ weiterzumachen.
       
       Von verschiedenen ehemaligen Redakteuren hört man, dass die meisten
       AZ-Journalisten wohl in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wechseln
       werden. Über die Kollegen, die bei der AZ verblieben sind, wolle man nichts
       Schlechtes sagen. Sie machten gute Arbeit unter schwierigen Bedingungen.
       Die Frage ist nur: Wie lange funktioniert das auf dem schwierigen Münchner
       Zeitungsmarkt, auf dem es fünf Tageszeitungen gibt, drei davon
       Boulevardblätter?
       
       9 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Francesco Giammarco
       
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