URI: 
       # taz.de -- Krise in der Ukraine: Armee rückt auf Donezk vor
       
       > Das ukrainische Militär hat zwei weitere Städte von den Separatisten
       > zurückerobert. In Lugansk und Donezk gibt es erneut Gefechte. Poroschenko
       > spricht von einer „Wende“.
       
   IMG Bild: Ukrainischer Soldat bei Slawjansk.
       
       MOSKAU/KIEW dpa | Inmitten der Bemühungen um eine Waffenruhe hat die
       ukrainische Armee mehrere Hochburgen prorussischer Separatisten
       zurückerobert. Staatspräsident Petro Poroschenko sprach von einem
       „Wendepunkt“ nach wochenlangen Gefechten und befahl die Fortsetzung der
       „Anti-Terror-Offensive“. Die Armee rückte am Sonntag auf die Industriestadt
       Donezk vor, wo sich Aufständische verschanzt halten.
       
       Russland kritisierte die Gefechte scharf. Es sei „zutiefst beunruhigend“,
       dass die vereinbarten Verhandlungen der ukrainischen Führung mit den
       Aufständischen nicht stattgefunden hätten, sagte Außenminister Sergej
       Lawrow in einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter
       Steinmeier (SPD).
       
       Die Aufständischen zogen sich unter anderem aus den strategisch wichtigen
       Stützpunkten Slawjansk und Kramatorsk in Richtung Donezk zurück. Die
       Regierung sprach von „einem der größten Siege“ seit Beginn der Kämpfe Mitte
       April. Soldaten hissten symbolträchtig die blau-gelbe Flagge des Landes auf
       den Rathäusern. Poroschenko befahl, Lebensmittel in die befreiten Orte zu
       bringen. Nach Angaben der russischen Agentur Ria Nowosti begannen in
       Slawjansk umfangreiche Personenkontrollen, zahlreiche Verdächtige seien
       festgenommen worden.
       
       Bei ihrem Vormarsch auf Donezk eroberten Regierungseinheiten am Sonntag
       zwei weitere Städte aus der Gewalt der militanten Gruppen zurück. Auch über
       Artjomowsk und Druschkowka sei wieder die blau-gelbe Flagge gehisst worden,
       sagte Verteidigungsminister Waleri Geletej. Heftige Gefechte wurden am
       Abend aus der Stadt Lugansk gemeldet. In Donezk attackierten prorussische
       Aufständische einen Militärstützpunkt, um Waffen zu erbeuten. Die Soldaten
       hätten das Feuer erwidert, sagte Armeesprecher Sergej Starenki.
       
       ## Aufständische reden nicht von Niederlage
       
       Die Aufständischen wollten nicht von einer Niederlage reden. Die Kämpfer
       seien nicht vor der Armee geflohen, sondern sie hätten zum Schutz der
       Zivilbevölkerung die Stellung gewechselt, sagte der Separatistenanführer
       Andrej Purgin. „Unser Widerstand ist nicht gebrochen.“ Igor Girkin
       („Strelkow“) von der „Volkswehr“ sagte, nach dem Vorrücken der
       Regierungskräfte mit Artillerie, Panzerfahrzeugen und Kampfhubschraubern
       hätten die Kämpfer die Stellungen nicht mehr halten können. Die
       Aufständischen würden ihre Kräfte nun in Donezk sammeln.
       
       Angesichts der Lage rückt eine Waffenruhe, für die sich insbesondere die
       Bundesregierung einsetzt, in weite Ferne. Ein von Poroschenko für Samstag
       vorgeschlagenes Treffen der Kontaktgruppe fand nicht statt.
       
       Russlands Außenminister Lawrow forderte, bei einem Krisentreffen müsse eine
       neue Feuerpause in dem krisengeschüttelten Nachbarland vereinbart werden.
       Die ukrainische Führung reagierte auf den Appell zu Verhandlungen
       zurückhaltend. „Bei den Gesprächen kann es eigentlich nur um die
       bedingungslose Waffenabgabe der Kämpfer sowie um die Freilassung der
       Gefangenen gehen“, betonte Andrej Lyssenko vom Nationalen Sicherheitsrat.
       Die Regierung sei zudem zu Verhandlungen über eine Sicherung der Grenze
       durch Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
       Europa (OSZE) bereit.
       
       Präsident Poroschenko sagte, die Erfolge gäben ihm recht, dass er die am
       Montag abgelaufene Waffenruhe nicht verlängert habe. „Die Kämpfer haben die
       Feuerpause nicht unterstützt. Jetzt erhalten sie ihre verdiente Strafe
       dafür“, unterstrich er. Die Zurückeroberung besitze "überragende
       Symbolkraft", die Lage bleibe aber kompliziert. „Die Terroristen graben
       sich nun in den großen Städten ein.“
       
       ## Panzer hier, Manöver dort
       
       In der Ostukraine kämpfen militante prorussische Kräfte um die
       Unabhängigkeit der nicht anerkannten „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“.
       Die Aufständischen hoffen weiter auf militärische Hilfe von Kremlchef
       Wladimir Putin und einen Einmarsch russischer Truppen. Bei den Gefechten
       starben Schätzungen zufolge mehr als 500 Menschen.
       
       In Donezk trafen größere Verbände der Separatisten mit gepanzerten
       Fahrzeugen ein. „Keine Angst, das sind nicht die Panzer, vor denen sie
       Angst haben müssen“, versuchten Aufständische die Bevölkerung zu beruhigen.
       Die militanten Gruppen seien umgehend in die Verteidigungslinien rund um
       Donezk eingegliedert worden, hieß es.
       
       Der Ukraine-Sonderbeauftragte des russischen Außenministeriums, Konstantin
       Dolgow, rechnet mit einem zeitnahen Ende der Kämpfe. Die „heiße Phase“
       könne in einigen Wochen vorbei sein. „Die Überwindung dieser Krise wird
       aber Jahre dauern“, sagte der Moskauer Diplomat. „Das Land ist zweifellos
       sehr tief gespalten.“
       
       Die Nato und Russland hielten parallel im Schwarzen Meer Manöver ab. An der
       Nato-Übung beteiligten sich Schiffe aus den USA und sechs weiteren
       Mitgliedsländern. Die Ukraine gehört nicht zum Bündnis.
       
       Nach dem umstrittenen Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland
       forderte Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton derweil ein entschiedenes
       Vorgehen des Westens. „Wir können nicht zulassen, dass ein politischer
       Führer die Grenzen Europas nach dem Zweiten Weltkrieg neu “, sagte sie mit
       Blick auf Putin der Bild am Sonntag. Sie fügte hinzu: „Ich glaube, er kann
       gefährlich sein. Ein Mann wie Putin geht immer bis an die Grenzen.“
       
       6 Jul 2014
       
       ## TAGS
       
   DIR Ukraine
   DIR Russland
   DIR Slowjansk
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Ukraine
   DIR Barack Obama
   DIR Ukraine
   DIR Ostukraine
   DIR Ukraine
   DIR Ukraine
   DIR Gasförderung
   DIR Deutschland
   DIR Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kämpfe in der Ukraine: Waffen niederlegen? Offensive!
       
       Die Regierung in Kiew will mit den Separatisten über eine Waffenruhe
       verhandeln – unter Bedingungen. Die pro-russischen Kräfte haben andere
       Pläne.
       
   DIR Konflikt in der Ukraine: Obama und Hollande verschärfen Ton
       
       Der US-Präsident und sein französischer Amtskollege drohen Russland mit
       weiteren Sanktionen. Die Regierung in Kiew lehnt Gespräche mit den
       Separatisten ab.
       
   DIR Krise in der Ukraine: Die Zeit läuft ab
       
       Die ukrainische Armee zieht den Ring um die Großstädte Donezk und Lugansk
       enger. Die Separatisten drohen, Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zu
       boykottieren.
       
   DIR Erfolg für das ukrainische Militär: Rebellen ziehen aus Slawjansk ab
       
       Die prorussischen Milizionäre haben die ostukrainische Stadt verlassen.
       Präsident Poroschenko ist zu Verhandlungen bereit – aber nicht zu einer
       einseitigen Waffenruhe.
       
   DIR Situation im Donbass: „Hass auf alles, was ukrainisch ist“
       
       Europäische Werte? Sind uns fremd. Aber auch als Teil Russlands können wir
       uns den Donbass nicht vorstellen. Ein Gastbeitrag aus Donezk.
       
   DIR Rhetorik des Kalten Krieges: Die Rückkehr des Ostens
       
       Putin wirft dem Westen Konfrontation vor, die Nato sagt, Russland bedrohe
       den Frieden. Warum sind „Wir“ und „Ihr“ so mächtig?
       
   DIR Gas-Fracking in Deutschland: Das Verbot wird erweitert
       
       Die Bundesregierung will keinen Fracking-Boom wie in den USA. Zu stark sind
       die Proteste von Wasserversorgern bis Bierbrauern. Sie fürchten Gefahren
       fürs Grundwasser.
       
   DIR Krise in der Ukraine: Alle wollen eine Waffenruhe
       
       Deutschland und die USA fordern eine schnelle Feuerpause. Sie drängen
       Wladimir Putin, zu diesem Zweck mehr Einfluss auf die Separatisten zu
       nehmen.
       
   DIR Ukraine-Krisentreffen in Berlin: Bewegung im Milimeterbereich
       
       Beim Krisentreffen mit Außenminister Steinmeier in Berlin signalisieren
       Kiew und Moskau Gesprächsbereitschaft. Mehr aber auch nicht. In der Ukraine
       wird weiter gekämpft.