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       # taz.de -- Radeln geht anderswo besser: Von Kopenhagen lernen
       
       > Seit den 70er-Jahren fördern unsere Nachbarn nachhaltig den
       > Fahrradverkehr. Auslöser waren der Ölpreisschock und die hohe Zahl der
       > Verkehrstoten.
       
   IMG Bild: Fahrradfahren de luxe in Kopenhagen: Schnellweg über die Königin-Luise-Brücke.
       
       HAMBURG taz | Breite Radfahrstreifen in zwei Richtungen, grüne Welle für
       Radler – und sogar kleine Rasten für die Füße beim Warten an der Ampel –
       Fahrrad fahren könnte so schön sein, wenn sich die Städte in der
       norddeutschen Tiefebene ein Vorbild nähmen an denen in den Niederlanden
       oder Dänemark.
       
       In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zwar vieles gebessert –
       doch noch nicht nur bei der Infrastruktur für den Radverkehr, sondern auch,
       was den Ehrgeiz und das Selbstverständnis betrifft, hinkt Deutschland
       seinen Nachbarn hinterher.
       
       Exemplarisch erhellt das ein Vergleich des Radverkehrsanteils in
       Kopenhagen, Amsterdam und Hamburg, der bei 32, 28 und zwölf Prozent liegt.
       Kopenhagen und Amsterdam werben damit, Fahrradhauptstädte zu sein. Die
       Niederlande und Dänemark versuchen, über „Fahrradbotschaften“ ihr Know-how
       an andere Länder weiterzugeben. „Copenhagenize“ (es Kopenhagen nach zu tun)
       ist zu einem internationalen Schlagwort der Verkehrspolitik geworden.
       
       In den Niederlanden wie anderswo in Europa stieg mit der
       Wohlstandsexplosion nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl der Autos massiv,
       während immer weniger Leute Rad fuhren. In die Städte wurden Schneisen
       geschlagen, um dem Auto Raum zu schaffen, die öffentlichen Plätze wurden
       Parkplätze.
       
       Der Umschwung, der die Niederlande zum Radler-Land gemacht hat, begann mit
       der ersten Ölkrise 1973 und einem starken Anstieg der Zahl der
       Verkehrstoten. Nach Darstellung des niederländischen Fietsberaads, einer
       Institution, die das Wissen über den niederländischen Fahrradverkehr
       sammelt und weitergibt, war es besonders die Zahl der getöteten Kinder, die
       die Bevölkerung zu Protesten auf die Straße trieb und dafür sorgte, dass
       die Politik umdachte. 1975 wurden in Tilburg und Den Haag die ersten
       Fahrradstraßen gebaut.
       
       Den Erfolg des Fahrrads in Dänemark, wo nach Angaben der dänischen
       Fahrradbotschaft 16 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden,
       erklärt der Vorsitzende der Dänischen Radfahrvereinigung, Klaus Bondam,
       damit, dass es in Dänemark keine Autoindustrie gebe und damit auch nicht
       die entsprechende Lobby.
       
       Autos würden in Dänemark hoch besteuert mit der Folge, dass sich
       Berufsanfänger in der Regel kein Auto leisten könnten. „Ich habe selbst
       meinen Führerschein erst mit 36 gemacht“, erzählt Bondam. Also lernten die
       jungen Familien, ihre Mobilität ohne Auto zu organisieren, sodass viele
       auch später nur ausnahmsweise auf das Auto zurückgriffen.
       
       Dänemark habe über Jahre viel in die Radverkehrsinfrastruktur investiert
       und betrachte das als gutes Investment: „Wenn Sie einen Kilometer radeln,
       sparen sie einen Euro an öffentlichen Gesundheitskosten“, sagt Bondam unter
       Berufung auf Zahlen der Regierung. Dazu komme die Einsicht, dass jeder, der
       aufs Autofahren verzichtet, Platz schafft für den wirklich nötigen Verkehr:
       Geschäftsleute, Lieferanten, Rettungsdienste.
       
       Besonders die Stadt Kopenhagen geht offensiv mit ihrer Radverkehrspolitik
       um. In ihrem alle zwei Jahre erscheinenden Radverkehrsbericht protokolliert
       die Stadtverwaltung mit bunten Grafiken den Fortschritt und formuliert
       zugleich ehrgeizige Ziele:
       
       2015 sollen 50 statt 37 Prozent aller Pendler mit dem Fahrrad fahren –
       langfristig sollen 50 aller Fahrten mit dem Fahrrad gemacht werden. 80
       statt 75 Prozent der Radler sollen sich sicher fühlen – eine Qualität, die
       von den Dänen wie den Niederländern betont wird. Unterm Strich will
       Kopenhagen nicht weniger sein als „die beste Radfahrerstadt der Welt“ und
       allein 2013 dafür 33,5 Millionen Euro investieren.
       
       Von einem solchen Anspruch ist Hamburg weit entfernt. Sicher ist Hamburg
       dreimal so groß wie Kopenhagen und große Entfernungen machen das Radeln
       weniger attraktiv. Aber das große Hamburg investiert eben nur fünf
       Millionen Euro pro Jahr in den Radverkehr und das Ziel, den
       Radverkehrsanteil von zwölf auf 18 Prozent zu erhöhen, hat der SPD-Senat
       entfristet: Es werde nun „unabhängig vom Zeitziel im Rahmen der zur
       Verfügung stehenden Ressourcen“ verfolgt.
       
       Anders als in Dänemark oder den Niederlanden arbeite die Politik eben nicht
       nachhaltig am Radverkehr, bedauert Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen
       Fahrradclub (ADFC) in Hamburg. Es gebe zwar gute Instrumente wie den
       nationalen Radverkehrsplan, „aber die müssen eben auch mal scharf gemacht
       werden“, sagt er.
       
       Mehr dazu in unserem Schwerpunkt der gedruckten Ausgabe
       
       4 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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