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       # taz.de -- Flüchtlingsschule in Kreuzberg: „Wir sind fast verrückt geworden“
       
       > Für die Flüchtlinge war die Belagerung der Schule durch die Polizei eine
       > Extremsituation, erzählt eine von ihnen, Mai M. aus dem Sudan.
       
   IMG Bild: Neun Tage harrten Flüchtlinge auf dem Dach einer ehemaligen Schule in Berlin-Kreuzberg aus. Die Polizei hatte das Gebäude umstellt.
       
       taz: Frau M., Sie gehören zu den BesetzerInnen der ehemaligen
       Gerhart-Hauptmann-Schule, die jetzt eine Einigung mit dem Bezirk
       Friedrichshain-Kreuzberg unterschrieben haben. Eine Ihrer Hauptforderungen,
       ein Bleiberecht, ist dabei nicht herausgekommen. Weshalb haben Sie das
       Papier unterschrieben? 
       
       Mai M.: Die Tage in der Schule waren für uns gesundheitlich schwer zu
       ertragen. Es herrschte ein großes Durcheinander, weil die Entscheidungen
       vom Bezirk, vom Senat und von Innensenator Henkel nicht klar waren. Mal
       sagten sie, sie räumen, mal sagten sie, sie räumen nicht. Das hat einen
       enormen Druck auf uns ausgeübt, auch das Verhalten der Polizei. Wir mussten
       irgendwie mit der Situation umgehen.
       
       Wie beurteilen Sie das Ergebnis? 
       
       Ich persönlich habe das Papier nicht unterschrieben. Eine Mehrheit der
       Geflüchteten war dafür und ich habe die Einigung unterstützt, weil es um
       Menschenleben ging. Aber ich persönlich finde es beängstigend, den Menschen
       die Hand zu reichen, die uns in diese Patt-Situation gebracht und uns so
       unter Druck gesetzt haben, dass wir hier fast verrückt geworden sind. Wir
       sehen, was aus der Einigung vom Oranienplatz geworden ist. Ich traue ihnen
       einfach nicht.
       
       Ist die jetzige Einigung nicht auch ein Teilerfolg? Sie erlaubt Ihnen,
       einen Bereich der ehemaligen Schule weiter zu bewohnen. 
       
       Im Moment sehe ich keinen großen Unterschied zum Leben im Lager: Wir haben
       einen Hausausweis, der uns zu nichts berechtigt, außer dass wir damit ins
       Haus kommen. Wir müssen ihn vorzeigen, wenn wir das Gelände betreten und
       verlassen. Er dient nur dazu, uns zu kontrollieren.
       
       Sind denn nun alle, die in der Schule gelebt haben, irgendwo untergebracht,
       entweder in Heimen oder in der Schule? 
       
       Nein, es gibt mindestens 15 Menschen, die nicht untergebracht sind. Als die
       Schule geräumt werden sollte, waren sie auf dem Marsch für die Freiheit in
       Brüssel. Sie haben keinen Platz in einer der Unterkünfte bekommen. Und sie
       haben kein Recht, in der Schule zu wohnen, weil sie zum Zeitpunkt der
       Einigung nicht im Gebäude waren. Sie kamen vor einigen Tagen zurück, wurden
       aber nicht mehr in die Schule reingelassen. Wir versuchen, sie in die
       Einigung mit aufnehmen zu lassen, aber das wird ihnen vom Bezirk
       verweigert. Sie dürfen derzeit noch nicht einmal ihre persönlichen Sachen
       aus der Schule holen. Sie wissen nicht, wo sie jetzt hin sollen.
       
       Wie geht es jetzt weiter? 
       
       Jetzt werden wir sehen müssen, wie sich die Situation entwickelt. Erst
       einmal müssen wir uns im Gebäude organisieren. Uns ist klar, dass wir mit
       der Einigung kein Bleiberecht haben. Wir werden unseren Widerstand
       fortsetzen müssen.
       
       [1][(im Original Engl.)]
       
       4 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Hilke Rusch
       
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