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       # taz.de -- Anonymität im Netz: Die Maske des Nicknames
       
       > Anonymität im Netz ist ein hohes Gut. Bewertungsportale profitieren von
       > ihr. Doch die Kritik aus dem Hinterhalt schadet.
       
   IMG Bild: Die Trolle unter den Kommentatoren schätzen es, nicht ihren Klarnamen nutzen zu müssen.
       
       Es ist ein Urteil von weitreichender Bedeutung für die digitalen Provinzen
       der menschlichen Gesellschaft. Ein Arzt aus Schwäbisch-Gmünd hatte sich
       durch wiederholte anonyme Bewertungen auf einem entsprechenden
       Verbraucherportal verleumdet gefühlt – und vor dem Bundesgerichtshof (BGH)
       den Betreiber auf Herausgabe von Name und Anschrift des Kommentators
       geklagt. [1][Diese Klage hat der BGH nun abgewiesen]. Zur Veröffentlichung
       der Identität eines anonymen Nutzers sind Bewertungsportale auch weiterhin
       nur dann verpflichtet, wenn eine Strafanzeige vorliegt.
       
       In den Beiträgen auf dem Portal Sanego hatte der Patient unter anderem
       behauptet, drei Stunden gewartet zu haben und dem Arzt unterstellt, er
       lagere Patientenakten in Wäschekörben. Auf Betreiben des Arztes hatte
       Sanego die nachweislich falschen Vorwürfe gelöscht, worauf die gleichen
       Vorwürfe bald wieder auftauchten und mehrere Monate zu lesen – bevor sie
       erneut gelöscht wurden. Zusätzlich zur Löschung verlangte der Arzt
       daraufhin die Herausgabe der Identität des Kommentators, was ihm in
       mehreren Instanzen zugebilligt wurde. Der Betreiber des Portals sah sich
       durchaus zurecht in seinem Geschäftsmodell bedroht und ging erfolgreich
       gegen diesen Teil des Urteils in Revision.
       
       Bewertungsportale mögen ein Geschäft für deren Betreiber sein. Für das
       Internet ist wiederum die Anonymität ein hohes Gut, nicht nur beim Erwerb
       von Sexspielzeug oder für den Austausch über medizinische oder psychische
       Probleme. Es ist ein wesentlicher Pfeiler des Datenschutzes, dass die
       Veröffentlichung, Verbreitung oder Verarbeitung personenbezogener Daten nur
       dann zulässig ist, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder wenn ein
       Gesetz die Verarbeitung erlaubt.
       
       Die Anonymität eines Nutzers darf laut Telemediengesetz nur bei
       Strafverfolgung, Gefahrenabwehr oder der Durchsetzung von Urheberrechten
       gelüftet werden. Persönlichkeitsrechte seien davon unberührt. Das
       Grundsatzurteil betrifft daher nicht nur die Branche der Bewertungsportale,
       bei denen der „Content" größtenteils von anonymen Kunden beigesteuert wird,
       sondern auch die betroffenen Ärzte, Anwälte, Mechaniker, Hotels oder
       sonstige Dienstleister. Wer rufschädigende Inhalte löschen lassen möchte,
       muss sich auch weiterhin direkt an den Betreiber wenden, der seinerseits
       die Trolle unter den Kommentatoren mit spezieller Software blockieren kann.
       Wenn er denn mag – oder im Einzefall dazu rechtskräftig verurteilt wird.
       
       Wer als Betreiber von Bewertungsplattformen bestehen will, wird
       mittelfristig dafür sorgen müssen, dass er nicht nur viele, sondern auch
       fundierte Bewertungen veröffentlicht – ganz so wie beispielsweise die New
       York Times, die ihre Kommentatoren erst einmal besser kennenlernen möchte,
       bevor sie freigeschaltet werden.
       
       Hinter der Maske eines Nicknames fallen nämlich gerne auch mal sinnvolle
       Hemmungen. Und Kritik, die nur aus dem Hinterhalt der Anonymität heraus
       geäußert wird, ist nichts wert. Sie schadet sogar. Nicht nur dem
       Betroffenen, sondern auch dem Grundsatz der Anonymiät im Netz.
       
       1 Jul 2014
       
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