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       # taz.de -- Die "Nächte des Ramadan" in Berlin: Orchester der Welt
       
       > „Die Nächte des Ramadan“ empfehlen sich ab Sonntag als kultureller
       > Begleiter des islamischen Fastenmonats – auch mit musikalischen
       > Experimenten von Ost nach West.
       
   IMG Bild: Im Ramadan wird nicht nur gefastet
       
       Falls man sich wirklich gewissenhaft vorbereiten möchte, das wären die
       Regeln: Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sollte man auf alles Essen
       verzichten in diesen Tagen und auch auf das Trinken. Solche Enthaltsamkeit
       gilt gleichermaßen für das Rauchen. Und für den Sex. Außerdem sollte man im
       Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime (der dem islamischen Kalender
       entsprechend durch das Jahr wandert und dieses Jahr am heutigen Samstag
       beginnt), doch noch ein wenig unbedingter als sonst üble Nachrede vermeiden
       und Verleumdungen, um irgendwie passabel seinem moralischen Lebensweg zu
       folgen.
       
       Es geht also um Verzicht im Ramadan. Auf den, also auf die Askese, man
       natürlich auch agnostisch geübt verzichten kann und trotzdem eine Teilhabe
       finden, als spiritueller Zaungast. Am leichtesten gemacht wird das einem
       hier in der Stadt bei so einer Veranstaltungsreihe wie „Die Nächte des
       Ramadan“, die seit 2008 als kulturelle Ramadan-Begleitung Traditionen und
       zeitgenössische Entwicklungen muslimisch geprägter Kulturen präsentiert.
       Veranstaltet wird die Reihe von Piranha Kultur, deren Expertise in Sachen
       internationalem Kulturaustausch lange Jahre auch bei deren
       „Heimatklänge“-Festival zu hören war.
       
       Vom morgigen Sonntag an bis Ende Juli gibt es bei den „Nächten des Ramadan“
       an unterschiedlichen Orten Filme, Diskussionsrunden und vor allem Konzerte.
       In diesem Jahr sollen unter dem Programmschwerpunkt „Women’s Voices“ dabei
       besonders Berliner Künstlerinnen präsentiert werden.
       
       Dazu gibt es aber auch räumlich weit ausgreifende Blicke über den Berliner
       Tellerrand, etwa am 6. Juli mit dem „Gemilang Ramadhan“-Programm, bei dem
       im Heimathafen Neukölln die „strahlenden Klangwelten des indonesischen
       Archipels“ vorgestellt werden, mit javanischem Gamelan, Talempong-Musik aus
       Westsumatra und spirituellem Schattenspiel und Tänzen, was alles laut
       Programmheft zu einem „leuchtenden Mosaik der islamischen Kultur
       Indonesiens“ verwoben sein soll, in dem Kulturwissenschaftler bestimmt auch
       die Einflüsse aus Arabien, Indien oder China und die Vermischung mit
       lokalen, vorislamischen Traditionen heraushören können. Auch hier also:
       Mischverhältnisse unterschiedlicher Kulturen und Traditionen. Wie das bei
       Kulturen ganz allgemein halt so üblich ist.
       
       ## Experimentelles Mischen
       
       Wobei man bei Gemilang Ramadhan wohl längst selbst wieder zur Tradition
       gewordene „Mischungen“ präsentiert bekommt, während man wenige Tage später
       am 11. Juli bei den „Nächten des Ramadan“ – und wieder zurück im großen
       Suppenteller Berlin – beim Auftritt des Diwans der Kontinente so eine
       Verschmelzung mal noch in der Experimentierphase beobachten kann.
       
       Als eine Plattform für transkulturelle Neue Musik des 21. Jahrhunderts
       verstehen die Sängerin und Komponistin Cymin Samawatie und der Schlagzeuger
       und Komponist Ketan Bhatti ihr im vergangenen Jahr im Rahmen der „Nächte
       des Ramadan“ gegründetes Orchester. Beim diesjährigen Auftritt im
       Heimathafen Neukölln wird es mit einer nochmals erweiterten Besetzung
       antreten. Noch mehr unterschiedliche Stimmen bei diesem Austausch von
       europäischen und orientalischen Musiktraditionen, von komponierter und
       improvisierter Musik. Und das ist dann schon auch wieder so ein typisch
       Berliner Ding, weil hier in der Stadt halt auch genug gewiefte Musiker aus
       den unterschiedlichsten Weltregionen ihre Heimat haben.
       
       In dem Orchester spielen auch Mitglieder der Berliner Philharmoniker mit,
       und inspiriert ist der kommunikative Ansatz vor allem vom Jazz (Samawatie
       und Bhatti treiben auch die Jazzband Cyminology an), der als
       Improvisationsmusik ohnehin selten irgendwelche Berührungsängste bei einer
       hybriden Kultur hat.
       
       Stichwortweise darf man vielleicht sagen, dass es im musikalischen Labor
       vom Diwan der Kontinente manchmal so klingt wie bei Louis Sclavis, dem
       französischen Klarinettisten, der ja der Lyoner Musikerkooperative Arfi
       entstammt. Arfi wie Association à la Recherche d’un Folklore Imaginaire.
       Die Suche nach einer imaginären Folklore im Denkraum der Musik. Das passt
       mit der Utopie (und den Widersprüchen) schon auch auf den Diwan der
       Kontinente. Und musikalisch Fasten muss man bei dem Orchester bestimmt
       nicht.
       
       Genaus Programm unter
       www.piranhakultur.de/event/events_2014/naechte_des_ramadan
       
       29 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Mauch
       
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