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       # taz.de -- Zeitgeschichte: Umstrittener Straßenname
       
       > Eine Straße in Hammerbrook wird „Vera-Brittain-Ufer“ getauft. Die
       > britische Pazifistin war unzweifelhaft integer, ist jedoch auch
       > revanchistisch missdeutbar.
       
   IMG Bild: Stritt auch wider die Bombardierung Hamburgs: Die Friedensaktivistin Vera Brittain 1938.
       
       Vera Brittain war eine aufrechte Person. Die 1970 verstorbene Britin war
       eine Feministin und Pazifistin, die sich 1944 bei den Alliierten unbeliebt
       machte, indem sie das Flächenbombardement deutscher Städte anprangerte –
       auch den Hamburger „Feuersturm“. Und das, obwohl Deutschland das britische
       Coventry schwer zerstört hatte.
       
       Nach Vera Brittain also soll am 28. Juni eine Promenade in Hammerbrook
       benannt werden, und die Integrität der Friedensaktivistin, deren Tochter
       eigens anreist, ist evident. Ambivalent ist der Vorgang trotzdem, denn
       initiiert hat ihn der Jurist Gerfried Horst, der lange in Hamburg lebte. Er
       ist Vorsitzender der Gesellschaft „Freunde Kants und Königsberg e.V.“ und
       hat das Buch „Generalprobe für die Hölle – Wahrheit über die Zerstörung
       Königsbergs“ verfasst.
       
       Sein Interesse gilt dabei nicht den sowjetischen Luftangriffen auf die
       Stadt, sondern den britischen. Auch für den Hamburger „Feuersturm“ waren
       Briten verantwortlich, und so begründet Horst seinen Benennungsantrag vor
       allem mit dem Protest Brittains gegen deren Flächenbombardement.
       
       Mit dieser Argumentation stehe Horst in einer Tradition revanchistischen
       Gedenkens, das britische Kriegskritiker heranziehe, um Deutschland als
       Opfer des Krieges zu zeichnen, sagt Historiker Malte Thiessen von der Uni
       Oldenburg, der den Band „Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an
       Luftkrieg und Kriegsende“ herausgegeben hat.
       
       Die Stadt Hamburg ahnte davon wenig und nachdem das Staatsarchiv zunächst
       wegen Formalia abgelehnt hatte, votierte die Bezirksversammlung dann
       geschlossen für den Antrag.
       
       „Das Problem bei Straßenbenennungen ist aber selten der Name, sondern der
       Kontext und die Initiative dahinter“, sagt Thiessen. Beides prüfte das
       Bezirksamt nur rudimentär: „Ich habe Herrn Horst angerufen und hatte einen
       guten Eindruck“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. „Er war betrübt, weil man
       ihn in die rechte Ecke stellte.“
       
       Auch im Gespräch mit der taz sagt Horst, er sei entsetzt über einen Artikel
       in der Preußischen Allgemeinen Zeitung, der seine Initiative lobt, weil
       Brittain „gegen den Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung
       protestierte“. Er habe sich beim Verfasser beschwert, die Sache dann aber
       auf sich beruhen lassen, sagt Horst.
       
       Bleibt die Frage, ob man eines so komplexen Vorgangs wie des Feuersturms,
       der einerseits zur Niederringung des NS-Regimes gedacht war, wegen seiner
       Brutalität aber selbst im britischen Unterhaus umstritten war, durch einen
       Straßennamen gerecht wird. „Hier ist ein multiperspektivisches Gedenken
       vonnöten“, sagt Thiessen. Individuelles Leid habe seine Berechtigung, werde
       beim öffentlichen Gedenken aber als zu kurz greifend empfunden.
       
       Auch Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, hält es für
       zwingend, Kontext und Kausalkette mit zu berücksichtigen. „Das Museum im
       Mahnmal St. Nikolai stellt das unmissverständlich dar; im Unterschied zu
       der Straßenbenennung und ihrer Begründung ist hier eine
       Instrumentalisierung zur Schuldverlagerung nicht möglich.“
       
       26 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
       ## TAGS
       
   DIR Hamburg
   DIR Konzentrationslager
       
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