URI: 
       # taz.de -- Flugzeugkollision im Sauerland: Wo die Katholiban hausen
       
       > Zwei Flugzeuge sind zusammengekracht, zwei Menschen gestorben. Das ist
       > bitter. Dafür kann das Sauerland nichts. Es ist trotzdem ein Hort des
       > Grauens.
       
   IMG Bild: Der Bürgermeister von Sundern in seinem Amtssitz? Oder nur eine Blutwurst im Werden? – Sau im Sauerland.
       
       Wer einmal zu Fuß in Meschede unterwegs war, weiß, wo die Barbarei zuhause
       ist. Unfreundliche Menschen, [1][Fachwerkgelumpe, wohin man auch schaut],
       seit 1952 regiert dort die CDU ohne Unterbrechung.
       
       Ganz in der Nähe haben zwei Eurofighter der Bundeswehr ein Manöver
       abgehalten, einer kollidierte mit einem Learjet. Zwei Menschen kamen ums
       Leben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der
       fahrlässigen Tötung gegen die Piloten der Kampfjets. Hier muss man laut und
       deutlich sagen: Daran ist das Sauerland nicht schuld.
       
       An vielem anderen hingegen schon. (Zur Erklärung, warum hier nun eine
       Sauerland-Suada folgt, sei kurz darauf hingewiesen: Ich bin [2][am Rande
       des Sauerlands] aufgewachsen, musste viel Zeit im Sauerland verbringen –
       Bekanntenbesuche, Klassenfahrten, Ferienjobs und kenne insbesondere die
       Diskrepanz zwischen der Selbst- und der Fremdwahrnehmung der Sauerländer
       gut.)
       
       Vor allem im Herzen des Sauerlandes, [3][dem sogenannten
       Hochsauerlandkreis], lebt das Bewusstsein fort, dass alles zwischen Sundern
       und Schmallenberg die einzig wahre Hochkultur sei. Wenn sich aber von
       anderswo Familien sonntags zum Ausflug mit dem Auto ohne
       Zentralverriegelung in jenen Landstrich aufmachen, rufen die Eltern
       entschieden nach hinten zu den Kindern: „Verriegelt die Türen, sonst beißen
       die uns hier.“
       
       ## Der deutsche Bible Belt
       
       Drei Regionen in Deutschland konkurrieren seit Jahrzehnten darum, wer für
       sich den Begriff „German Bible Belt“ in Anspruch nehmen darf. In
       [4][Württemberg] und [5][im westlichen Hessen um Dillenburg,] gerade mal 20
       Minuten vom Sauerland entfernt, haben sich pietistische Freikirchen und
       andere evangelikale Sekten in einer Menge erhalten, die Spötter den Begriff
       „Home of the Pietcong“ wählen ließ.
       
       Im Hochsauerlandkreis und angrenzenden Regionen aber haben gewöhnliche wie
       freikirchliche Protestanten ebensowenig zu melden wie Atheisten oder
       Agnostiker. Hier ist der Katholizismus so dominant, dass der Vatikan wieder
       und wieder voller Neid in diese bewaldete Region Westfalens schaut und es
       ein Wunder ist, dass nicht jeder zweite Papst aus Finnentrop oder Eslohe
       kommt.
       
       Im „German-Bible-Belt-Casting“ sollten die Pietisten besser den
       Sauerländern den ersten Platz zugestehen. Es sei denn, sie möchten gerne
       die Erfahrung machen, irgendwo nördlich von Olpe einen Scheiterhaufen aus
       der Nähe kennenzulernen oder von rasenden Sauerländerinnen als Ketzer mit
       der Mistgabel gejagt zu werden.
       
       Wie heißt es so schön [6][im Sauerlandlied?] „Wo die Misthaufen qualmen, da
       gibt‘s keine Palmen. / Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland, /
       vergrabt mein Herz im Lennesand, / wo die Mädchen noch wilder als die Kühe
       sind.“
       
       ## Zwischen Schlachterplatte und Fachwerkhaus
       
       Man müsste zu diesem Bio- und Soziotop der Katholiban nicht viele Worte
       verlieren, wären da nicht jedes Jahr Tausende Touristen, die die
       Eigenheiten des Landstrichs heim in die Zivilisation schleppen. Vor allem
       erschöpfte Malocher aus dem Ruhrgebiet entdeckten schon früh das Sauerland
       als Naherholungsgebiet. Im Märkischen Kreis ist daraus eine adrette
       Dauercamper-Idylle entstanden, die Dortmunder Schnoddrigkeit mit dem
       Sauerländer Fachwerkprovinzialismus aufs Unerträglichste vereint.
       
       Denn neben dem Katholizismus und [7][zahlreichen
       60-Prozent-CDU-Wahlkreisen] hat das Zentrum des Sauerlandes vor allem zwei
       Dinge zu bieten: Fachwerkhäuser und Schlachteplatten. Wo man den Häusern
       zumindest noch zu Gute halten kann, dass sie ihre Bewohner vor Kälte und
       Nässe schützen, neben architektonischem Zierat also auch eine funktionale
       Bedeutung haben, lässt sich von den kulinarischen Spezialitäten nur sagen:
       Finger weg!
       
       Selbst Freunde der gepflegten Blutwurst haben sich schon angewidert von
       einer Kirchhundemer [8][Schlachteplatte] abgewandt. Und auch wer wie viele
       Sauerländer die Kartoffel als Gottes letztes Geschenk an die Menschheit
       verehrt, wird nach einer [9][deftigen Werdohler Potthucke] künftig
       vielleicht doch lieber zur Nudel greifen.
       
       ## Von Menschen und Bräuchen
       
       Wer könnte Land und Leute besser beschreiben als die regionalen Barden. Aus
       dem „[10][Sauerlandlied]“ ist zum Thema dies zu vernehmen: „In Stachelau
       tobt die wilde Sau, / da kommen alle Bauern aus Krombach, / und nach der
       Feier verprügeln sich alle, / da freut man sich schon‘s ganze Jahr drauf. /
       In einer Baracke in Kalberschnacke, / da übt die Kapelle der Feuerwehr. /
       Sie machen viele Stunden Radetzkimarsch / und fünf Kisten Warsteiner leer.“
       
       Saufen, prügeln, Freiwillige Feuerwehr – fertig ist das Sauerländer
       Kulturprogramm an 365 Tagen im Jahr. Die Wikipedia weiß es noch um
       Schützenfeste, regionalen Karneval und Heimatvereine zu ergänzen. Jenseits
       von Gelsenkirchen kann sich der FC Schalke 04 vor allem über zahlreiche
       [11][Fanclubs aus dem Sauerland] freuen.
       
       Schalke 04 und das Sauerland, das passt zusammen wie die vielen lokalen
       Dialekte mit dem Schwund des intervokalischen „d“ ab Mitte des 13.
       Jahrhunderts; einen Schwund, den die Linguistik zum Begriffswandel vom
       „Suderlande“ über „Suerland“ zum „Sauerland“ anführt und der die gesamte
       Sprache zwischen Wickede und Wenden befallen hat. Zum Glück redet der
       gemeine Sauerländer eh nicht viel. 
       
       Genug gelästert übers Sauerland. Am schlimmsten hat es schließlich die
       Sauerländer selbst getroffen: Die müssen ja jeden Tag dort leben.
       
       24 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /
   DIR [2] http://www.siegen.de/standard/page.sys/25.htm
   DIR [3] http://www.hochsauerlandkreis.de/bs/
   DIR [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Pietismus#W.C3.BCrttemberg
   DIR [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Bund_Freier_evangelischer_Gemeinden_in_Deutschland#Bundeskreise
   DIR [6] http://www.winterbergernachwuchs.de/Sauerlandlied.htm
   DIR [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Bundestagswahlkreis_Hochsauerlandkreis
   DIR [8] http://www.google.de/search?q=Schlachteplatte+Sauerland&client=firefox-a&hs=KfR&sa=N&rls=org.mozilla
   DIR [9] http://www.sauerland.com/Sauerland-entdecken/Ausflug/Lecker-Essen-und-Trinken2/Kochrezepte-aus-dem-Sauerland/Die-schoensten-Kochrezepte-aus-dem-Sauerland/Potthucke
   DIR [10] http://www.youtube.com/watch?v=uAi7qJQELvQ
   DIR [11] http://www.schalke04.de/de/fans/tausend-freunde/fanclubs/page/269--269--.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maik Söhler
       
       ## TAGS
       
   DIR Sauerland
   DIR Kirchentag 2023
   DIR Schützenfest
   DIR Asylpolitik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pietisten-WG in Stuttgart: Vom Ohr und Kopf ins Herz
       
       Morgengebet am WG-Tisch: Der als rückständig und homophob verschriene
       Pietismus findet seine Anhänger – auch unter jungen Leuten.
       
   DIR Schütze über Brauch als Kulturerbe: „Da geht's nicht nur ums Saufen“
       
       Die Sauerländer Schützen wollen ihren Brauch zum Weltkulturerbe machen.
       Raimund Reuther über seine Idee und einen möglichen europaweiten Antrag.
       
   DIR Asylpolitik in Deutschland: Die Angst im Dorf
       
       In einem 832-Einwohner-Dorf im Sauerland sollen bald 500 Flüchtlinge leben.
       Ein Verein mobilisiert gegen deren Unterbringung in einer alten Klinik.