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       # taz.de -- Kommentar EU-Personal: Geschacher im Hinterzimmer
       
       > Die vor der Europawahl gemachten Versprechen wurden gebrochen – die
       > Wähler dürfen sich verschaukelt fühlen. Am Kurs der EU-Politik ändert
       > sich nichts.
       
   IMG Bild: Hinterzimmer in schön: Cameron (l.), Merkel, Reinfeldt und Rutte
       
       Mit der Demokratie in der Europäischen Union ist das so eine Sache. Wenn
       Europawahl ist, steht sie hoch im Kurs. Die Entscheidung über die
       Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker und Martin Schulz wurde sogar zu
       einem historischen Ereignis hochstilisiert. Doch kaum ist die Wahl vorbei,
       fallen die EU-Politiker in ihre vordemokratischen Rituale zurück.
       
       Diese Europawahl macht da leider keine Ausnahme. Im Gegenteil: Vier Wochen
       nach der Abstimmung haben die Wähler allen Grund, sich noch mehr
       verschaukelt zu fühlen als sonst. Wer tatsächlich geglaubt hatte, er könne
       nicht nur über Köpfe, sondern sogar über den Kurs der EU abstimmen, sieht
       sich auf ganzer Linie getäuscht.
       
       Statt Schulz oder Juncker dürfte der Wähler nun beide bekommen: den einen
       als Kommissionschef, den anderen als Parlamentspräsidenten. So hat es die
       Große Koalition in Berlin ausgemauschelt. Transparent war das nicht, im
       Gegenteil: Es war ein klassischer Hinterzimmer-Deal, wie er nach dieser
       Wahl eigentlich tabu sein sollte.
       
       Und statt einer anderen EU-Politik zeichnet sich ein entschiedenes „Weiter
       so“ ab. Die Sozialdemokraten fordern zwar, ganz bescheiden geworden, mehr
       „Flexibilität“ beim Stabilitätspakt und mehr Zeit beim Schuldenabbau. Doch
       die Konservativen halten mit mehr Liberalisierung und Privatisierung
       dagegen.
       
       So haben es Kanzlerin Merkel und der britische Premier Cameron bei ihrer
       Bootsfahrt in Schweden ausgekungelt. Auch das war ein klassischer
       Hinterzimmer-Deal, auch wenn die schwedische Mittsommersonne ein mildes
       Licht auf die Szenerie warf. Im Ergebnis dürfte Juncker – wenn er denn
       gewählt wird – an der konservativen Kette liegen.
       
       Damit er gewählt wird, fehlt wohl nur noch ein Detail: Als „Entschädigung“
       für seine Niederlage im Streit über Juncker fordert Cameron einen oder gar
       mehrere wichtige Posten in der nächsten EU-Kommission. Noch ist nicht klar,
       ob auch dieser Hinterzimmer-Deal rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am
       Donnerstag zustande kommt. Klar ist jedoch schon jetzt, wer der Verlierer
       dieses intransparenten Geschachers ist: die europäische Demokratie. Nicht
       die Bürger hatten – wie versprochen – das letzte Wort. Vielmehr sind es
       wieder einmal die Staats- und Regierungschefs, die den Ton angeben. Die
       Chance auf einen demokratischen Neubeginn wurde vertan.
       
       23 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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