URI: 
       # taz.de -- Sicherheitsbedenken in Niedersachsen: AKW Grohnde weiter außer Betrieb
       
       > Nur unter Protest sollen Techniker Schweißnähte notdürftig geflickt
       > haben. Niedersachsens Umweltminister Wenzel schaltet die
       > Staatsanwaltschaft ein.
       
   IMG Bild: Haben weiterhin zu tun: Atomkraftgegner der „Regionalkonferenz AKW Grohnde abschalten“ bei einer Mahnwache im April 2014
       
       HANNOVER taz | Wegen Sicherheitsbedenken geht das umstrittene Atomkraftwerk
       Grohnde vorerst nicht wieder ans Netz. Umweltschützer meldeten am
       Donnerstagmorgen, offenbar seien rissige Sitzpanzerungen im
       Rohrleitungssystem des Reaktors entdeckt und nur notdürftig
       zusammengeschweißt worden.
       
       Die damit beauftragte Firma habe sich zunächst weigern wollen, die Aufgabe
       zu übernehmen, sei aber vom Reaktorbetreiber Eon unter Druck gesetzt
       worden. Auch für die Sicherheitsüberprüfung des Meilers verantwortliche
       Fachleute des TÜV hätten sich skeptisch gezeigt, hieß es unter Berufung auf
       Techniker, die AKW tätig seien.
       
       Die Reaktion des für die Atomaufsicht zuständigen niedersächsischen
       Umweltministers Stefan Wenzel (Grüne) ließ nicht lange auf sich warten: Am
       frühen Donnerstagabend teilte sein Ministerium mit, das Schreiben der
       Anti-Atom-Aktivisten sei an die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover
       weitergeleitet worden. Bis zum Ergebnis der Ermittlungen werde Wenzel die
       Wiederinbetriebnahme nicht genehmigen, so ein Sprecher des Ministers zur
       taz.
       
       Bereits am Morgen hatte Wenzel geklagt, der Stromkonzern übe maximalen
       Druck auf die rot-grüne Landesregierung aus. „Wir haben feststellen müssen,
       dass man beim Betreiber sehr, sehr ungeduldig wird“, sagte der
       stellvertretende Ministerpräsident. Ihm sei eine „Schadenersatzklage in
       Aussicht gestellt“ worden, berichtete der 52-Jährige gegenüber
       Anti-Atom-AktivistInnen, die ihm mehr als 4.000 Protest-Unterschriften
       gegen die Wiederinbetriebnahme des Reaktors übergaben.
       
       ## Drohungen von Eon
       
       Die genaue Höhe der Eon-Drohung wollte Wenzel nicht nennen. Es gehe „um
       sechsstellige Beträge“, hieß es auf taz-Nachfrage. Fällig werden dürften
       die für jeden Tag, an dem der Meiler keinen Strom liefert: Insider schätzen
       die durch den Ausfall Grohndes verursachten Umsatzausfälle Eons auf rund
       eine Million Euro – täglich.
       
       In der Bilanz des durch die Energiewende ohnehin angeschlagenen Konzerns
       aus Düsseldorf dürfte damit ein mindestens 41 Millionen Euro tiefes Loch
       klaffen. Eigentlich hätte das AKW, das Ende April zu einer routinemäßigen
       Revision vom Netz ging, schon am am 11. Mai wieder in Betrieb gehen sollen.
       
       Doch Grohnde machte seinem Ruf als Deutschlands Pannenreaktor Nummer 1 alle
       Ehre: Zunächst wurde im nichtnuklearen Teil ein irreparabler
       Generatorschaden festgestellt. Um das zur Stromerzeugung nötige, 550 Tonnen
       schwere Ersatzteil per Schiff an das Kraftwerksgelände zu schaffen, wurde
       sogar extra Wasser aus der Edertalsperre abgelassen. Dann sorgten
       Fremdkörper im Reaktorkern für Komplikationen: Federn an neun von insgesamt
       131 sogenannten Drosselkörpern sind gebrochen; diese Bauteile regulieren
       den Kühlwasserstrom rund um die Brennelemente.
       
       Anti-Atom-Aktivisten fürchten trotzdem, dass sich im Poker um Grohnde
       langfristig nicht der Grünen-Minister durchsetzt, sondern der
       Atomstromkonzern: „Bisher wogen die wirtschaftlichen Interessen Eons immer
       schwerer als die Sicherheitsinteressen der Menschen im Landkreis Hameln und
       in Ostwestfalen-Lippe“, sagt etwa Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft
       Schacht Konrad.
       
       Ganz unwahrscheinlich ist das nicht: So sind etwa die Drosselkörper, die in
       Grohnde defekt aufgefunden wurden, auch in anderen Druckwasserreaktoren in
       Deutschland verbaut worden. Welche Standorte das genau sind, teilen bisher
       aber weder Wenzels Haus noch das Bundesumweltministerium mit.
       
       ## „Sichere Abschaltung“
       
       Zwar seien die Betreiber der AKWs informiert worden – gefährlich sei die
       Situation aber sowieso nicht, versichert das Bundesumweltministerium: Zwar
       könnten „Federbruchstücke zur Behinderung des vollständigen Einfalls eines
       Steuerstabes führen“. Die „sichere Abschaltung des Reaktors“ werde dadurch
       aber „nicht beeinträchtigt“, heißt es.
       
       Eon beharrt derweil auf einer schnellen Wiederinbetriebnahme: Noch am
       Donnerstagabend verkündete der Konzern im Internet, der Meiler Grohnde
       werde am Samstag wieder angefahren: um 23.59 Uhr.
       
       19 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Grohnde
   DIR AKW Grohnde
   DIR AKW Grohnde
   DIR Atomkraftwerk
   DIR Atomkraftwerk
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Anti-Atom-Bewegung
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Atomenergie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Doch kein teurer Rechtsstreit: AKW Grohnde wieder am Netz
       
       Das Atomkraftwerk Grohnde liefert wieder Strom. Zuvor hatte das
       Umweltministerium die Genehmigung wegen Verdachts auf Pfusch bei
       Reparaturarbeiten gestoppt.
       
   DIR Sicherheit von Atomkraftwerken: Neustart in Grohnde
       
       Es gibt Sicherheitsbedenken in einem niedersächsischen AKW. Doch noch bevor
       die Vorwürfe geklärt sind, soll es wieder angefahren werden.
       
   DIR Jede Menge Probleme beim E.ON-Meiler: AKW Grohnde bröselt weiter
       
       Neun Federbrüche im Reaktorkern, der Ersatzgenerator ist rostig: AKW-Gegner
       fordern das endgültige Aus für das Atomkraftwerk.
       
   DIR Havarie im AKW Grohnde: Fremdkörper im Reaktorkern
       
       Techniker entdecken ein zerstörtes Bauteil im AKW. Atomkraftgegner fordern
       umfassende Sicherheitschecks, Basis-Grüne die endgültige Abschaltung.
       
   DIR Gorlebener Gebet: Beharrlicher Protest im Kiefernwald
       
       Mal kommen zehn, mal 200, Protestanten, Katholiken, Muslime oder
       "Kirchenferne" jeden Sonntag seit 25 Jahren zur atomkritischen Andacht nach
       Gorleben.
       
   DIR Standortsuche für Atommüllbehälter: Da waren es nur noch sieben
       
       Wohin mit den 21 Castoren, die ab 2017 nach Deutschland rollen werden? Ein
       internes Papier der Bundesregierung schließt schon mal vier Standorte aus.
       
   DIR Schlechtes Zeugnis für Rot-Grün: Enttäuschte Initiativen
       
       Niedersachsens Anti-Atom-Initiativen vermissen Fortschritte bei der
       Atomaufsicht und bei der Endlagersuche.
       
   DIR Steigender Ökostrom-Anteil: Sorge um Atomkraft
       
       Immer mehr Ökostrom wird produziert. Der Energieversorger Eon sorgt sich um
       die Wirtschaftlichkeit seiner Atommeiler. Lohnt der Betrieb von AKW noch?
       
   DIR Widerstand gegen Atomkraft: Nie wieder Fukushima
       
       Tausende demonstrieren gegen die Nutzung der Atomkraft in Deutschland.
       Proteste gibt es auch in Paris. Deutsche Banken finanzieren indes
       Atomkonzerne.