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       # taz.de -- Stellenabbau beim WDR: Vor dem strukturellen Abgrund
       
       > Der WDR soll jeden zehnten Arbeitsplatz streichen, um Kosten zu senken.
       > Der Personalrat beklagt einen fehlenden Strategieplan.
       
   IMG Bild: Bringt nicht nur die Liebe mit: WDR-Intendant Tom Buhrow.
       
       KÖLN taz | Nach seiner Wahl zum WDR-Intendanten schwebte Tom Buhrow auf
       rosaroten Wolken. „Ich bring’ die Liebe mit“, versprach der notorische
       Strahlemann. Knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Juli 2013 haben sich
       zumindest die Mienen seiner Untergebenen verfinstert. Mit einem massiven
       Stellenabbau will Buhrow dem drohenden strukturellen Defizit des
       öffentlich-rechtlichen Senders zu Leibe rücken. Bis 2020 soll jeder zehnte
       Arbeitsplatz verschwinden.
       
       Laut den Berechnungen der Geschäftsleitung droht dem WDR ohne drastische
       Einsparungen ab 2016 eine Etatlücke von durchschnittlich 100 Millionen Euro
       pro Jahr. Deshalb will Buhrow die Personalkosten reduzieren. 500
       Planstellen sollen in den kommenden Jahren wegfallen. Mit seinen 4.740
       Festangestellten und mehr als 15.000 freien MitarbeiterInnen ist der WDR
       nach der britischen BBC der zweitgrößte Sender Europas. Der Etat der aus
       Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen finanzierten Anstalt liegt bei rund 1,4
       Milliarden Euro jährlich, wovon knapp 425 Millionen auf das Personal
       entfallen.
       
       „Der Stellenabbau ist eine schmerzhafte, aber zwingende Entscheidung“, gab
       Buhrow Ende vergangener Woche bekannt. „Um den Personalabbau zu
       beschleunigen, haben wir schon mit den Gewerkschaften Modelle für
       Altersteilzeit und Vorruhestand verabredet.“ Dafür sollen nach
       taz-Informationen 770 Beschäftigte in Frage kommen – also mehr, als Stellen
       abgebaut werden sollen.
       
       ## Ein Drittel der Redaktion
       
       Das meiste Personal will der WDR in der Verwaltung und in der Produktion
       reduzieren. Aber auch die Redaktionen werden kräftig bluten. „Knapp 30
       Prozent der einzusparenden Planstellen werden aus dem redaktionellen
       Bereich kommen“, teilte Unternehmenssprecher Birand Bingül auf
       taz-Nachfrage mit. Dazu gehörten auch MitarbeiterInnen aus den
       Sekretariaten, ReferentInnenbüros oder aus dem Programmmanagement.
       Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben. Die spielten „keine
       Rolle“, versicherte Bingül.
       
       Im Haus wird davon ausgegangen, dass die angekündigten Einsparungen noch
       „lange nicht das Ende der Fahnenstange“ sind. „Das ist erst der Anfang“,
       sagt ein Gremienmitglied. Dass dem WDR drastische Einschnitte bevorstehen,
       überrascht nicht. Schon im Oktober 2013 hatte Buhrow von einem
       „gigantischen strukturellen Abgrund“ gesprochen und verkündet: „Der ganze
       WDR kommt auf den Prüfstand.“ Was das neben den bereits praktizierten
       Kürzungen konkret bedeutet, ist bislang unklar.
       
       Ohne Details zu nennen, heißt es in der aktuellen Mitteilung des WDR
       nebulös, der Sender werde „seine Aufgaben reduzieren, Sachkosten senken und
       die Effizienz steigern“. Die Gerüchteküche brodelt. Wie es heißt, könnte es
       unter anderem die hauseigene Bibliothek oder die Werkstätten in Bocklemünd
       treffen. Im Gespräch ist auch der Verkauf von erlösträchtigen Exponaten der
       Kunstsammlung. Fraglich dürfte zudem sein, ob sich der WDR weiterhin vier
       Orchester leisten will. Nur dass die Rücklagen für Bausanierungen reduziert
       werden sollen, steht wohl fest.
       
       ## Fehlender Strategieplan
       
       Der Rundfunk- und der Verwaltungsrat unterstützen den Kurs Buhrows. Dass es
       aufgrund stagnierender Einnahmen und steigender Kosten Sparbedarf gibt,
       bestreiten auch der Personalrat und die Gewerkschaften nicht. Gleichwohl
       sehen sie die Ankündigungen des Intendanten kritisch.
       
       „Intelligentes Sparen muss an die Stelle der Rasenmäher-Methode treten, mit
       der der Sender derzeit Stellen und Honoraretats kappt“, fordert der
       Deutsche Journalisten-Verband. Eine ergebnisoffene Diskussion unter
       Einbeziehung der MitarbeiterInnen verlangt Verdi. „Die ist jedoch nur
       glaubwürdig, wenn der Stellenabbau nicht schon vorher als feste Größe
       verkündet wird“, sagte Verdi-Bezirkssekretär Bernd Fiegler. Beide
       Gewerkschaften beklagen die schon heute immense Arbeitsverdichtung, der
       feste wie freie MitarbeiterInnen ausgesetzt seien.
       
       „Wie kann man 500 Stellen abbauen, ohne einen Strategieplan über
       Aufgabenreduzierungen zu haben“, fragt der Personalratsvorsitzende Heri
       Stratmann in einem internen Rundschreiben. Zunehmend würden Daueraufgaben,
       die früher im Haus wahrgenommen wurden, durch Anmietungen,
       Arbeitnehmerüberlassung und freie Produktionsfirmen erledigt. „Was soll
       daran effizient sein, wenn sich Gebührengelder in Gewinne von
       Menschenverleihern, Rechteinhabern, Produktionsfirmen und in Umsatzsteuer
       verwandeln?“
       
       Statt an das Personal und die Honorare zu gehen, sollte über andere
       Einsparmöglichkeiten nachgedacht werden, fordert Stratmann: „Müssen wir
       eigentlich – um fast jeden Preis – so ungeheure Summen an Rechteverkäufer
       für Fußballweltmeisterschaften ausgeben?“ Was auch immer die WDR-Spitze
       alles auf den Prüfstand stellt: Das gehört wohl nicht dazu. Schon gar nicht
       in diesen Tagen.
       
       19 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
   DIR Anja Krüger
       
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