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       # taz.de -- Unfallfolgen bei Radfahrern: Rad und Rübe
       
       > Fast alle Studien zur Frage „Helm – ja oder nein?“ sind mangelhaft.
       > Sicher ist: Viele lebensgefährliche Verletzungen bei Unfällen betreffen
       > den Kopf.
       
   IMG Bild: Bei lebensgefährlichen Fahrradunfällen liegen Kopfverletzungen mit 70 Prozent an der Spitze.
       
       BERLIN taz | Seit dem [1][Urteil des Bundesgerichtshofs] steht fest, dass
       der Verzicht auf einen Fahrradhelm keine Nachteile bei Schadenersatz und
       Schmerzensgeld für Unfallopfer bedeutet. Auch eine gesetzliche Pflicht zum
       Tragen von Helmen ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die
       Entscheidung dafür oder dagegen liegt damit weiterhin bei jedem einzelnen
       Radfahrer selbst.
       
       Wer dabei auf klare Empfehlungen aus der Wissenschaft setzt, wird jedoch
       enttäuscht. Sowohl Gegner als auch Befürworter von Helmen finden
       Ergebnisse, die ihre Sichtweise stützen; teilweise berufen sie sich sogar
       auf die gleichen Studien.
       
       Oft zitiert wird eine umfangreiche Untersuchung aus Kanada, wo zehn Jahre
       lang die Kopfverletzungen von verunglückten Radfahrern ausgewertet wurden.
       Die Wissenschaftler um Jessica Dennis fanden heraus, dass die Zahl der
       Verletzten in jenen Provinzen, die in dieser Zeit eine Helmpflicht
       einführten, stärker zurückging als in den Provinzen ohne Helmpflicht.
       
       Eine statistische Signifikanz der Helmpflicht allein ließ sich aber nicht
       nachweisen, weil gleichzitig auch viele andere Maßnahmen zur Steigerung der
       Sicherheit von Radfahrern durchgeführt wurden. Zudem unterschied die Studie
       nicht, ob die verunglückten Radfahrer tatsächlich einen Helm trugen, weil
       dies in den Krankenhäusern gar nicht erfasst wurde.
       
       ## Kein großer Unterschied
       
       Auch eine Untersuchung des Neurochirurgen Frank Thomas Möllmann von der
       Uniklinik Münster scheint Helm-Skeptiker zu bestärken: Er untersuchte
       Radfahrer mit Schädel-Hirn-Traumata und kam zu dem Schluss, dass sich die
       Schwere der Verletzungen bei Helmträgern und Nicht-Helmträgern nicht
       erheblich unterscheidet.
       
       Praktisch alle diese Studien leiden aber an einer unzureichenden Datenbasis
       und Problemen bei der Vergleichbarkeit: Unfälle, bei denen der Helm eine
       Verletzung verhindert, können statistisch kaum erfasst werden. Und ob
       Radfahrer, die einen Helm tragen, insgesamt häufiger auf dem Rad unterwegs
       sind, ob sie riskanter oder auf gefährlicheren Strecken fahren – und damit
       ohnehin ein höheres Unfallrisiko als Unbehelmte haben – dazu gibt es keine
       Daten. Entsprechend wenig aussagekräftig sind die Ergebnisse solcher
       Vergleichsstudien.
       
       Andere Statistiken zeigen denn auch einen klaren Nutzen des Helms. So
       belegen Analysen der deutschen Unfalldatenbank Gidas, für das die Kliniken
       in Hannover und Dresden jährlich 2000 Unfälle auswerten, dass die Zahl
       schwerer Kopfverletzungen durch Nutzung eines Fahrradhelms um 33 Prozent
       reduziert werden könne. 
       
       Andere Ärzte gehen von noch höhreren Zahlen aus. „Zirka 60 bis 70 Prozent
       schwerer Schädelhirnverletzungen können in ihrer Schwere vermindert,
       wenngleich auch nicht in jedem Einzelfall komplett vermieden werden“, sagte
       etwa der Münchener Unfallchirurg Uli Schmucker im Deutschlandfunk. Für ihn
       steht darum eindeutig fest: „Der Helm hilft.“
       
       Allerdings gilt der Schutz natürlich nur für Kopfverletzungen. Und die
       machen beim Radfahren nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für
       Unfallchirurgie nur 25 Prozent der Verletzungen aus. Weitaus häufigste
       Unfallfolge bei Radfahrern sind mit 60 Prozent Knochenbrüche. Bei den
       lebensgefährlichen Fahrradunfällen liegen hingegen Kopfverletzungen mit 70
       Prozent an der Spitze.
       
       18 Jun 2014
       
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