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       # taz.de -- Islamisten-Export: Geheimdienst liest nun Facebook
       
       > Laut Verfassungsschutz reisten zehn Salafisten aus Bremen nach Syrien, um
       > dort zu kämpfen. Der Innensenator verhängt deshalb jetzt Aus- und
       > Einreiseverbote.
       
   IMG Bild: Salafisten und ihre Freunde: Pierre Vogel in Bremen, im Kreis von Sympathisanten.
       
       BREMEN taz | Der Bremer Verfassungsschutz sieht die größte Bedrohung in
       etwa 360 mutmaßlichen Salafisten. LinksextremistInnen stellen aus seiner
       Sicht hingegen kein echtes, Rechtsradikale lediglich ein überschaubares
       Problem dar. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht hervor, der gestern
       vorgestellt wurde.
       
       Der Geheimdienst geht davon aus, dass etwa zehn junge Männer von Bremen aus
       nach Syrien reisten, um dort als „Gotteskrieger“ zu kämpfen. Mindestens
       einer von ihnen, so haben sie jetzt bei Facebook gelesen, ist nun getötet
       worden, vielleicht sind’s auch zwei, mindestens ein weiterer wurde laut
       Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) schwer verletzt.
       
       „Salafisten, die aus solchen Kampfgebieten zurückkehren, haben schlimmste
       Gräueltaten erlebt oder gar selbst daran teilgenommen“, so Mäurer. „Einer
       ganzen Reihe“ von Personen sei deshalb in den vergangenen Tagen der Pass
       entzogen worden, um sie an der Ausreise zu hindern. Jene, die schon draußen
       sind, soll die Wiedereinreise verweigert werden.
       
       Außerdem werde man „alles in Bewegung“ setzen, so Mäurer, um jene, die als
       gefährlich eingestuft werden, Aufenthaltstitel zu entziehen. „Mir ist jeder
       Extremist lieber, der nicht in Deutschland ist“, so Mäurer. Zur Begründung
       verweist er auf den mutmaßlichen Attentäter Mehdi Nemmouche, der jüngst in
       Brüssel vier Menschen erschossen haben soll.
       
       Salafisten – übersetzt: die frommen Altvorderen – predigen einen Islam, der
       sich eng am Wortlaut des Koran und anderen frühen islamischen
       Überlieferungen orientiert. In Bremen werden dieser fundamentalistischen
       Strömung vor allem das „Islamische Kulturzentrum Bremen“ am Breitenweg
       zugerechnet, wo laut Geheimdienst etwa 350 bis 400 Menschen zu den
       Freitagsgebeten kommen. Daneben wird auch der 2007 gegründete „Kultur &
       Familien Verein“ in Gröpelingen besonders beobachtet, wo regelmäßig etwa 50
       Personen bei Freitagsgebeten gezählt wurden.
       
       Bundesweit geht der Verfassungsschutz von etwa 5.500 Salafisten aus, zu
       denen auch Pierre Vogel zählt, der kürzlich in Bremen sprach – aber nichts
       strafrechtlich relevantes sagte. Zugleich qualifizierte Hans-Joachim von
       Wachter, oberster Verfassungsschützer in Bremen, einen Kommentar des
       Weser-Kurier als „rechtspopulistisch“.
       
       Dort hieß es jüngst: „Dem Reden Vogels folgt zwangsläufig das Handeln von
       Glaubenskriegern wie Nemmouche. (...) Die Justiz sollte zügig versuchen,
       möglichst alle Vogels dieser Republik hinter Gitter zu bringen.“ Auch
       Mäurer distanziert sich.
       
       Der früher vom Geheimdienst beobachtete Verein „Milli Görüs“ wird nicht
       mehr observiert. Insgesamt wurden 2013 in der Rubrik „politisch motivierte
       Kriminalität“, Kategorie: „Ausländer“ 16 als extremistisch eingestufte
       Delikte gezählt, die etwa Salafisten oder der kurdischen Arbeiterpartei PKK
       zugerechnet werden. 2012 waren’s 24.
       
       Die Linksextremisten nehmen in dem Bericht nur eine Seite ein, auch die 200
       den Autonomen zugerechneten BremerInnen gelten Mäurer als „nicht
       gewaltorientiert“. Die Bremer Szene, deren „klassisches Delikt“
       Farbbeutelwürfe seien, sei mit der in Hamburg „überhaupt nicht zu
       vergleichen“.
       
       Der Bremer NPD rechnet der Geheimdienst 40, der neonazistischen Szene etwa
       30 Leute zu, weitere 40 Menschen werden in der Subkultur verortet, zu der
       Hooligans oder Skinhead-Bands gehören. Mäurer spricht von einer
       „überschaubaren Landschaft“: Bremen sei „kein Zentrum rechtsextremer
       Aktivitäten“.
       
       2013 wurden hier insgesamt 117 Delikte gezählt, 2012 waren es 131. Neue
       Aktionsformen wie die kürzlich im Kontext der Kundgebung von Pierre Vogel
       aufgetretene, radikal islamfeindliche „German Defence League“ (taz
       berichtete) lösten in den letzten Jahren vermehrt alte Modelle wie das der
       Kameradschaften ab.
       
       Bekannte Bremer Rechtsrock-Bands wie die international agierende „Kategorie
       C“ hätten aber „seit Jahren“ nicht in Bremen gespielt, so Mäurer. Es liege
       „immer schon eine Verbotsverfügung in der Schublade“, so Mäurer – für den
       Fall, dass man von einem Rechtsrock-Konzert erfahre.
       
       17 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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