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       # taz.de -- Niederländische Nationalmannschaft: An der Quelle des schönen Fußballs
       
       > Trotz oder wegen des klaren Erfolgs gegen Spanien ist in den Niederlanden
       > wieder die Systemdebatte entbrannt: 5-3-2 oder doch wieder 4-3-3?
       
   IMG Bild: Im Spiel gegen Spanien ging van Gaals Strategie voll auf.
       
       RIO DE JANEIRO taz | An der Seitenlinie sitzen sie, die Nachkommen von
       Zico, der auch weißer Pelé genannt wurde, und schauen den Niederländern
       bewundernd beim Training zu. Die etwa achtjährigen Nachwuchsspieler von
       Flamengo Rio de Janeiro, dem Verein in Brasilien, der den Fußball seit
       jeher nach ästhetischen Maßstäben vermessen hat.
       
       Hier auf dem Trainingsgelände der Jugend von Flamengo im noblen Stadtteil
       Leblon absolvieren die Niederländer ihre Trainingseinheiten. Und nach ihrem
       5:1 Erfolg gegen Welt- und Europameister Spanien genießen sie nicht nur an
       der Ausbildungsstätte des schönen Fußballs, sondern in ganz Brasilien
       höchsten Respekt. Van Persie, Robben und Co. werden plötzlich als möglicher
       Endspielpartner der Seleção gehandelt.
       
       Fragen nach der Stimmung bei den Niederländern erübrigen sich eigentlich
       nach diesem furiosen Auftakterfolg. Wer aber glaubt, dass nun zumindest im
       Training ein bisschen gespaßt, gescherzt und geschäkert wird, der muss für
       einen kurzen Moment nicht an den Trainer dieses Teams gedacht haben. Louis
       van Gaal wacht schließlich in seiner typischen Aufpasserpose über dieses
       Ensemble: die Hände in den Hüften, die Ellenbogen spitz nach außen gekehrt.
       Und die Augen streng auf seine Schüler gerichtet, die unter diesen
       Bedingungen selbst die Aufwärmübungen ohne Ball still und konzentriert
       absolvieren.
       
       Und so wird später dann sicherheitshalber doch noch einmal nach der
       Stimmung gefragt. Nigel de Jong gibt Entwarnung: „Sie ist fantastisch. Wie
       sollte es anders sein?“ Auf der einen Seite gäbe es die Trainingseinheiten,
       auf der anderen Seite das Leben mit den mitgereisten Familien. Das würde
       sich positiv beeinflussen. „Deshalb ist die Fitness und der Spaß im Moment
       so hoch. Und die Fitness muss hoch sein. So gewinnst du heute in den
       letzten 25 Minuten die Spiele.“
       
       Die größere Frische bei ihren Konterattacken mag gegen die überspielt
       wirkenden Spanier ausschlaggebend gewesen sein. Gegen Australien lässt sich
       die Erfolgsstrategie jedoch wohl kaum ein zweites Mal anwenden. Die
       Australier werden sich am Mittwoch selbst auf Konterspiel verlegen (18 Uhr,
       ARD).
       
       ## Selbstüberschätzung unwahrscheinlich
       
       So bekommt trotz des ersten brillanten Auftritts der Systemexpertenstreit
       wieder neue Nahrung. Sollen die Niederländer nicht doch wieder wie eh und
       je mit drei Stürmern angreifen? Wesley Sneijder will an der
       Erfolgsstrategie festhalten: „Natürlich können wir auch sehr gut 4-3-3
       gegen Australien spielen, aber im 5-3-2-System haben wir schon ein
       Ausrufezeichen gesetzt.“ Nach den eher erfolglosen letzten Monaten klammert
       man sich an dieses Erfolgserlebnis. Eine gute Voraussetzung vielleicht,
       dass das Team nicht der Gefahr der Selbstüberschätzung unterliegt. „Wir
       müssen das Spiel sehr ernst nehmen“, warnt in diesem Sinne auch de Jong.
       
       Glaubt man den niederländischen Journalisten, ist das sowieso eine
       artifizielle Debatte, die von ehemaligen Größen wie Arie van Haan entfacht
       worden sei. Den Fans sei es schnuppe, ob das Team mit zwei oder drei
       Stürmern antrete. Das Gerede von der niederländischen Identität, die an den
       Drei-Mann-Sturm geknüpft sei, sei blanker Unsinn.
       
       Sowieso geht es dem 62-jährigen van Gaal seit jeher nicht nur um das blanke
       Ergebnis. Der Titel seines knapp 450 Seiten starken
       Fußballphilosophiebuches spricht Bände: „Biographie & Vision“.
       
       Insofern dürfte das Trainingsquartier von Flamengo, die Brutstätte des
       schönen Fußballs, ganz nach dem Geschmack des Trainers sein. Hier kann er
       nahezu ungestört an seinem neuen großen Werk basteln. Nur die vielen
       Hubschrauber, die immer wieder zu hören sind, stören ein wenig. Im mondänen
       Leblon meidet man auf dem Weg zur Arbeit gerne die verstopften Straßen.
       
       18 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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