# taz.de -- Kommentar Gewalt gegen Roma: Der Staat als schlechtes Beispiel
> Im Norden von Paris wird ein junger Rom brutal misshandelt. Die
> französische Politik der Abschreckung trägt daran eine Mitschuld.
IMG Bild: Ein Kind in einer Roma-Siedlung nahe Paris.
Alles deutet darauf hin, dass es sich bei der brutalen [1][Aggression gegen
einen jungen Rom] im Norden von Paris um eine Form von Lynchjustiz handelt.
Nichts kann aber eine solche beschönigend „Selbstjustiz“ genannte Gewalttat
rechtfertigen. Auch wenn die neuen Nachbarn den „Ureinwohnern“ ein Dorn im
Auge waren, berechtigt sie nichts dazu, auf diese Art ein Exempel zu
statuieren.
In einer ersten Reaktion äußert der Bürgermeister in Pierrefitte-sur-Seine
jedoch Verständnis – wenn nicht für das Vorgehen, so doch für die Motive
mancher Mitbürger. Auch der zuständige Innenminister hatte es nicht sehr
eilig, die Wildwestmanieren zu verurteilen.
Denn die Politik der Abschreckung gegen Einwanderer aus Rumänien und
Bulgarien ist so ziemlich die einzige Strategie, welche die französischen
Behörden gefunden haben, um gegen das „Roma-Problem“ vorzugehen. In diesem
Sinne liefert der Staat den aufgebrachten Bürgern regelmäßig selbst ein
schlechtes Beispiel mit ostentativ vor Fernsehkameras durchgeführten
polizeilichen Räumungsaktionen.
Der Sinn dieser behördlichen Gewaltanwendung ist es nicht bloß, Menschen zu
vertreiben, die nicht ins Bild passen, sondern abschreckend auf die
einzuwirken, die noch vorhaben, nach Frankreich zu kommen.
Was aber der Staat im Namen des Gesetzes in größerem Stile tut, werden
selbstgerechte Bürgerwehren rasch nachahmen. Selbsthilfegruppen von
Freiwilligen, die in Quartieren patrouillieren, um der Polizei verdächtige
Personen zu melden, beginnen bereits überall aus dem Boden zu schießen.
Falls die Lynchjustiz von Pierrefitte-sur-Seine ungestraft bleiben sollte,
wird es nicht lange bei friedlichen Rundgängen bleiben. Der Fall Darius ist
leider auch in dieser Hinsicht exemplarisch.
17 Jun 2014
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## AUTOREN
DIR Rudolf Balmer
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