# taz.de -- Vormarsch der Islamisten im Irak: 44 Häftlinge getötet
> In der Provinz Dijala will die Terrorgruppe Isis sunnitische Extremisten
> aus einem Gefängnis befreien. Doch die Häftlinge kommen ums Leben, die
> Umstände sind unklar.
IMG Bild: Irakische Soldaten in der Nähe von Karbala
BAGDAD/KIRKUK/ISTANBUL ap/afp/dpa | Bei Kämpfen zwischen der
sunnitisch-fundamentalistischen Terrorgruppe Isis und schiitischen Milizen
um ein Gefängnis nordöstlich von Bagdad sind nach Polizeiangaben mindestens
44 Häftlinge ums Leben gekommen. Polizei und Militär machten allerdings
unterschiedliche Angaben darüber, wie die Gefangenen ums Leben kamen.
Polizeibeamte sagten, die Isis-Kämpfer hätten versucht, ein Polizeirevier
in Bakuba in der Provinz Dijala anzugreifen und die Insassen des daran
angeschlossenen Gefängnisses zu befreien. Regierungstreue schiitische
Milizen, die das Gebäude bewachten, hätten die 44 Häftlinge daraufhin aus
nächster Nähe erschossen. Ein Gerichtsmediziner in der Provinzhauptstadt
Bakuba sagte, die meisten Opfer hätten Wunden in Kopf und Brust. Bei den
Insassen handelte es sich um mutmaßliche sunnitische Extremisten.
Das irakische Militär teilte hingegen mit, 52 Häftlinge seien ums Leben
gekommen, als die Angreifer mit Mörsergranaten schossen.
Die nordirakische Stadt Tal Afar ist indes nach Angaben eines
Regierungsvertreters nach heftigen Kämpfen weitgehend an die Aufständischen
gefallen. Bei den Gefechten um die mehrheitlich schiitische Stadt, die auf
einem strategisch wichtigen Korridor nach Syrien liegt, seien dutzende
Kämpfer und Zivilisten getötet worden, sagte der Vize-Vorsitzende des
Provinzrats von Ninive, Nuriddin Kabalan, am Dienstag. Die
Sicherheitskräfte hielten nur noch wenige Teile der Stadt. Tal Afar liegt
rund 380 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Bagdad.
Die sunnitische Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak und in
Großsyrien (Isis) hatte in der vergangenen Woche weite Gebiete im Nordirak
einschließlich der Großstadt Mossul in ihre Gewalt gebracht und war immer
weiter auf Bagdad vorgerückt. Die Gruppe, die auch Teile Nordsyriens
kontrolliert, will im Irak, Syrien und angrenzenden Ländern einen eigenen
Staat gründen.
## Nachrichtensperre über entführte Türken
Die türkische Justiz hat eine Nachrichtensperre für Berichte im
Zusammenhang mit der Entführung türkischer Diplomaten durch sunnitische
Dschihadisten im Nachbarland Irak verhängt. Ein Gericht in Ankara
begründete den Schritt mit dem notwendigen Schutz der Sicherheit für die
Betroffenen, wie die türkische Medienaufsichtsbehörde RTÜK am Dienstag
mitteilte. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf der Opposition und
regierungskritischen Medien vor, das Thema für politische Zwecke ausbeuten
zu wollen und so Menschenleben zu gefährden.
Kämpfer der Gruppe „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (Isis)
hatten vergangene Woche knapp 50 Menschen im türkischen Generalkonsulat der
nordirakischen Stadt Mossul als Geiseln genommen. Zudem befinden sich rund
30 türkische Lastwagenfahrer in der Gewalt der Extremisten.
Erdogan sagte am Dienstag in einer Rede vor der Parlamentsfraktion seiner
Regierungspartei AKP, seine Regierung unternehme alles, um die Freilassung
der Festgehaltenen zu erreichen. Opposition und ein Teil der Medien werfen
der Regierung dagegen seit Tagen vor, die Eskalation im Irak durch eine
frühere Unterstützung von Isis teilweise mitverschuldet zu haben und bei
den Bemühungen um eine Freilassung der Geiseln zu versagen.
## Mehr als eine Million Flüchtlinge
Nach Einschätzung von Ärzte ohne Grenzen sind inzwischen 1,2 Millionen
Iraker auf der Flucht. „Die Kämpfe um Mossul, Kirkuk, Tikrit, Ramadi oder
Falludscha machen immer mehr Menschen obdachlos“, sagt der Leiter der
Mission der Ärzte ohne Grenzen im Irak, Fabio Forgione. Es sind vor allem
Iraker aus Mossul und der westlichen Provinz Anbar, die zunehmend auf Hilfe
angewiesen sind. Die Vereinten Nationen gehen von rund 500.000 Flüchtlingen
aus Mossul und 480.000 aus Anbar aus. In Anbar begann die Krise schon vor
Monaten. In einigen Gebieten hatten sich Isis-Kämpfer bereits im Januar
festgesetzt und eine Massenflucht der dortigen Bevölkerung ausgelöst.
Ein Großteil der Flüchtlinge macht sich auf in die kurdischen
Autonomiegebiete im Nordirak – die als sicher gelten. „Die Behörden richten
gerade vier Flüchtlingscamps ein“, sagt Forgione. Doch die Hilfe laufe sehr
langsam an. „Wir kämpfen, um die Grundbedürfnisse der Menschen zu erfüllen
und sie mit Lebensmitteln, Unterkunft und Medikamenten zu versorgen.“
17 Jun 2014
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