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       # taz.de -- Verkehr: Autobahnen ohne Grund
       
       > Niedrigere Verkehrsprognosen lassen Autobahngegner im Norden hoffen. Vor
       > allem für die A 20 wird der Bedarf nach unten korrigiert.
       
   IMG Bild: A 20-Monument nahe der Gemeinde Lägerdorf: Die Gegner hoffen nun, dass der Ausbau gestoppt wird.
       
       HAMBURG taz | Da jubeln die Autobahngegner. Die neuen Verkehrsprognosen des
       Bundesverkehrsministeriums würden für viele Autobahnprojekte in
       Norddeutschland „das Ende“ bedeuten, glaubt der niedersächsische
       Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU). Vor allem die Grundlage
       für den Bau der Küstenautobahn A 20 „bricht weg“, sagt Initiativen-Sprecher
       Uwe Schmidt. Die Halbierung der Prognosewerte müsse nun zu einer
       „zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Verkehrspolitik“ führen.
       
       Laut der neuen Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums soll der
       Güterverkehr bis 2030 um 38 Prozent steigen, der Personenverkehr um 13
       Prozent. Die bisherige Prognose von 2007 sagte für den Zeitraum bis 2025
       einen Zuwachs des Güterverkehrs um 84 Prozent und des Personenverkehrs um
       20 Prozent voraus.
       
       Diese deutlich geringeren Steigerungen könnten durch Sanierung und Ausbau
       bestehender Straßen bewältigt werden, sagt Uwe Schmidt, außerdem müsse der
       Güterverkehr verstärkt auf die Schiene und die Wasserstraßen verlagert
       werden.
       
       Speziell zweifeln die Initiativen den Bedarf für zwei Autobahnen an. Die A
       39 soll von Lüneburg durch die dünn besiedelte Ostheide über Wolfsburg und
       Braunschweig nach Salzgitter führen. Der Initiativenverband „Keine A 39“
       fordert nun „den sofortigen Stopp der Planungen“, weil die Bedarfe auf
       veralteten Vorhersagen beruhten. Deshalb dürfe ein Projekt, das mehr als
       eine Milliarde Euro kosten würden, nicht realisiert werden.
       
       So argumentieren auch die Gegner der A 20. Diese Autobahn, die von der
       polnischen Grenzen über Rostock und Lübeck bis Bad Segeberg führt, soll
       eigentlich bis nach Westerstede nördlich von Oldenburg weitergebaut werden.
       Dazu gehören ein Elbtunnel von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen und
       eine Trasse über Bremen bis Ostfriesland. Die Gegner sehen sich durch die
       nach unten korrigierten Prognosen in ihrer „Einschätzung bestätigt“, dass
       es für diese Strecke keinen Bedarf gebe.
       
       Das sieht auch Andreas Tietze so, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen
       im Kieler Landtag. Für die A 20 sei „schon immer mit überzogenen Zahlen
       argumentiert worden“, sagt Tietze. So führen in Mecklenburg-Vorpommern noch
       immer „gerade mal die Hälfte der behaupteten Fahrzeuge“. Außerdem müsse es
       Priorität haben, den Gütertransport auf die Schiene zu verlagern und somit
       „den Druck von den Straßen“ zu nehmen.
       
       Das sieht SPD-Verkehrsminister Reinhard Meyer, Koalitionspartner der
       Grünen, anders. Er fühlt sich durch die aktuelle Prognose in seinem „Kurs
       bestätigt“. Es müsse weiter in Sanierung und Neubau investiert werden. Und
       für die A 20 ist er unbesorgt: „Sie kann ihre volle verkehrliche Wirkung
       natürlich erst entfalten, wenn sie fertig gebaut ist“, sagt Meyer. Das ist
       Technokratendeutsch für: Wenn eine Straße erstmal da ist, produziert sie
       Verkehr, den es vorher gar nicht gab.
       
       17 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
       ## TAGS
       
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