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       # taz.de -- Französische Tageszeitung „Libération“: Mit Geld aus der Mobilfunkbranche
       
       > Multimillionär Patrick Drahi rettet die linksliberale Zeitung vor dem
       > Bankrott – ein neuer, alter Chefredakteur will sie offenbar erheblich
       > umbauen.
       
   IMG Bild: Patrick Drahi freute sich erst im März über die Übernahme des Mobiltelefonanbieters SFR (Archivbild).
       
       Die linksliberale französische [1][Tageszeitung Libération] scheint
       gerettet. Spätestens am 26. Juni werden die Einzelheiten einer
       Kapitalerhöhung bekannt. Nach bangen Monaten zeichnete sich für die
       ZeitungsmacherInnen Hoffnung ab, glaubt zumindest die Konkurrenz von Le
       Monde zu wissen. Die MitarbeiterInnen bei „Libé“ hingegen glauben – nach so
       manchen Drohungen, Versprechungen, Konzeptdebatten und
       Finanzierungsvorschlägen – erst an „Wunder“, wenn sie wirklich geschehen
       sind. Das heißt konkret, wenn die nötigen 18 Millionen Euro für die
       Kapitalerhöhung zur Sicherung der Zukunft der Zeitung auf dem Bankkonto
       liegen.
       
       Jetzt weiß man aber wenigstens mit Sicherheit, wer das neue Geld
       beisteuert: Es ist der in der Schweiz lebende französische Geschäftsmann
       Patrick Drahi (50). Er ist im Geschäft mit Kabelfernsehen und als
       Internet-Provider Milliardär geworden. Er besitzt in Frankreich das
       Kabelunternehmen Numericable und hat gerade den zweitgrößten
       Mobiltelefonanbieter SFR übernommen. In Israel gehört ihm der Fernsehsender
       „i24News“. Die zehn Millionen Euro, die er bei Libération investiert, sind
       für ihn also fast eine Kleinigkeit. Das sei ihm „die Rettung einer solchen
       Zeitung, die nicht verschwinden darf“, allemal so viel wert, meinte er.
       
       Das Auftauchen eines Weißen Ritters in der Person des für seine Diskretion
       bekannten Drahi wirft indes neue Fragen auf: Welche Pläne hat er im
       Mediengeschäft, welche Rolle wird er spielen? Immerhin teilt er sich das
       Kapital mit dem bisherigen Hauptaktionär Bruno Ledoux, dem er auch in
       Zukunft die Federführung überlassen will. Laut Angaben von Le Monde wolle
       Drahi nur stiller Teilhaber neben Ledoux sein, der über seinen Direktor
       François Moulias die Zeitung leitet.
       
       Wenigstens ist es weniger explosiv einen Mobiltelefon-Unternehmer als
       „Boss“ zu haben als einen politisch tätigen Rüstungsindustriellen wie Serge
       Dassault bei Le Figaro, sagt ein Redakteur gegenüber der taz, der erwartet,
       dass die Redakteure der Libération auch in Zukunft über
       Telekommunikationsthemen ebenso frei schreiben können wie über Banken zur
       Zeit des früheren Hauptaktionärs Edouard de Rothschild.
       
       ## Situation ist nicht mehr so dramatisch
       
       Dennoch färbt oft Misstrauen die Kommentare der Libé-Journalisten mit einem
       zynischen oder fatalistischen Unterton. Zu häufig und zu lange hat man sie
       im Ungewissen gelassen und manchmal mit vage formulierten Projekten
       aufgeschreckt. Noch immer gibt es diese Idee von Ledoux, aus Libération
       eine Art Multimediazentrum mit einem Restaurant auf der Dachterrasse zu
       machen, ohne dass sichtbar wird, welchen Platz in diesem Konzept die
       gedruckte Zeitung noch hätte. Noch ist auch nicht klar, wie viele
       Kolleginnen und Kollegen im Zuge der Sanierung das Unternehmen „freiwillig“
       verlassen sollen. Dennoch bestätigen die meisten, dass die Situation nicht
       mehr so dramatisch aussieht wie noch vor ein paar Wochen, als die Redaktion
       ihre Leser mit einer Kampagne „Nous sommes un journal“ (Wir sind eine
       Zeitung) zu einem eigentlichen Überlebenskampf mobilisiert hat.
       
       Bereits jetzt hat die Zeitung einen neuen Direktor, der eigentlich ein
       alter Bekannter ist: Der 61-jährige Laurent Joffrin war Chef des Magazins
       Le Nouvel Observateur und kehrt nun in die Libération zurück, wo er schon
       drei Mal Chef war. Er ist sich bewusst, dass man ihn holt, weil Libé in der
       Krise ist. „Ich gehe sicher nicht aus Bequemlichkeit zu Libé. Es wäre
       absurd, nichts zu ändern. Die Stagnation würde den Tod von Libé bedeuten.
       Die Zeitung muss sich erneuern“, sagte er dem Nouvel Observateur.
       
       Er sprach sich namentlich für die von Ledoux gewünschte Diversifizierung
       der Marke Libération (neues Internetangebot, Multimediazentrum mit Café und
       Konferenzen) aus. Seine Nominierung stieß zunächst weder auf Widerstand,
       noch löste sie besondere Begeisterung aus. Nun warten die
       ZeitungsmacherInnen darauf, wen Joffrin als RedaktionsleiterIn und als
       VerantwortlicheN des auszubauenden Online-Angebotes vorschlägt.
       
       16 Jun 2014
       
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