URI: 
       # taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Público zero
       
       > Das WM-Stadion in Salvador da Bahia wurde an den Bedürfnissen
       > brasilianischer Fans vorbei gebaut. Mitgeplant hat ein deutscher
       > Architekt.
       
   IMG Bild: Stadion in Salvador da Bahia: Eine Karte kostet 50 Reais, etwa 17 Euro. Für einen normalen brasilianischen Fan ist das unerschwinglich.
       
       Irgendwann war der Beton so brüchig geworden, dass er nachgab. Menschen
       stürzten von ihren Rängen 40 Meter in die Tiefe, weil plötzlich unter ihnen
       ein Loch klaffte. Sieben Fußballfans starben, zwanzig wurden verletzt. Der
       Aufschrei des Entsetzens war groß nach den tragischen Ereignissen in
       Salvador da Bahia.
       
       Diese morsche Schüssel muss weg oder endlich einmal von Grund auf renoviert
       werden. Die Arena Fonte Nova, ein Stadion, das mit vollem Namen Complexo
       Esportivo Cultural Professor Octávio Mangabeira heißt, hatte schon ein paar
       Jahrzehnte auf dem Buckel. Die salzige Meerluft hatte seit 1951, der
       Einweihung, beständig am Stahlbeton genagt. Viele wunderten sich, dass erst
       2007 dieses Unglück passierte. Schon vorher waren Baumängel angezeigt
       worden. Immer wieder waren Betonteile herabgestürzt.
       
       2009 wurde das alte Stadion gesprengt, ein neues gebaut. Früher füllten
       70.000 Fans das Stadion beim Stadtderby zwischen dem EC Bahia und EC
       Vitória. Die Zeiten sind vorbei. Ins neue Stadion, in dem heute die
       Deutschen gegen Portugal spielen, kommen nicht mehr so viele bahianische
       Fußballfans. Das Derby der beiden Erstligisten wollten in diesem Frühjahr
       nur 24.000 Zuschauer sehen. Bei normalen Ligaspielen sieht es noch düsterer
       aus.
       
       Da hat der EC Bahia, der das neue Oval nutzt, einen Zuschauerschnitt von
       nicht einmal 10.000. Der Stadtrivale Vitória, der seine Partien im Estadio
       Joia da Princesa austrägt, verkaufte gegen Recife gerade mal 3.152 Tickets.
       Das liegt nicht nur an der schwindenden Begeisterung der Fans. Nein, die
       neuen WM-Arenen wurden an den Bedürfnissen der einfachen brasilianischen
       Fans vorbei geplant.
       
       Eine Karte im mittleren Preissegment kostet 50 Reais, das sind etwa 17 Euro
       – nahezu unerschwinglich für einen Fan, der, wenn er Arbeit hat, im armen
       Nordosten Brasiliens manchmal nur 300 oder 400 Reais im Monat verdient.
       Mitverantwortlich für den Niedergang der bahianischen Stadionkultur ist
       auch Claas Schulitz, Architekt aus Braunschweig.
       
       Sein Büro plante die Arena in Salvador. Sie behielten die alte Hufeisenform
       bei und machten sonst alles anders. Die neuen Stadien, nichts anderes als
       „Hysterieschüsseln und Kathedralen des säkularisierten Konsumzeitalters“,
       wie mir Schulitz‘ Kollege Volkwin Marg sagte, sind vor allem in Beton
       gegossener Ausdruck der Fifa-Begehrlichkeiten.
       
       Was der gemeine Salvadorianische Fan zu diesem Monument sagt, ist den
       Zürcher Bürokraten ziemlich egal. Besonders schön sei die Arena trotz der
       280 Millionen Dollar ja nicht geworden, sagen sie in Salvador. Aber
       immerhin: Im neuen Stadion fand schon ein Akt zivilen Ungehorsams statt.
       Den korrupten Fußballpräsidenten Marcelo Guimarães Filho haben sie in der
       Vorsaison aus dem Amt gedrängt. Die Aktion hieß: Público zero – wir kommen
       erst wieder ins Stadion, wenn der Kleptokrat gegangen ist. Das hat den
       Zuschauerschnitt 2013 natürlich auch etwas gedrückt.
       
       16 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Ordem e Progresso
   DIR Stadion
   DIR Salvador da Bahia
   DIR Fifa
   DIR WM 2014
   DIR Ordem e Progresso
   DIR Salvador da Bahia
   DIR Ordem e Progresso
   DIR Ordem e Progresso
   DIR Ordem e Progresso
   DIR Hier spricht Brasilien
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR Deutschland
   DIR WM-Check
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR Ordem e Progresso
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR Fußball-WM 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ticket-Schwarzhandel bei der WM: Füße im Sand und Dollars im Beutel
       
       An Rios Touristenpromenaden floriert das Geschäft mit WM-Tickets.
       Inzwischen hat die Polizei etliche Schwarzmarkt-Ringe auffliegen lassen.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Die Schönheit der Maschinengewehre
       
       Zur WM-Zeit ein Zimmer in Rio zu finden, ist nicht einfach. Man nimmt, was
       kommt. Auch wenn die Vermieterin ein Hohelied auf die Militarisierung
       singt.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Alle wollen gleich sein
       
       In Rio de Janeiro dominieren Trikotträger das Stadtbild. Es geht zu wie auf
       dem Kirchentag, nur sind die Gesänge nicht ganz so glockenhell.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Barrierefreiheit für Schlandisten
       
       Alles offen: Bei einer Besichtigungstour durchs Stadion in Salvador da
       Bahia trifft man Zeitgenossen aus Deutschland – sogar in
       Sicherheitsbereichen.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Zwischen Skatern und Fitness-Freaks
       
       Auf Rios Radwegen bevölkern zu viele Disziplinfremde den Asphalt. Auch der
       Versuch, auf größere Straßen auszuweichen, ist gefährlich.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e progresso: „Verlorene Kugeln“
       
       Täglich sterben in Brasilien Menschen durch Polizeigewalt. Während der WM
       jubeln bei den Spielen der Seleção trotzdem alle gemeinsam.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Die Kolportage des Unheilvollen
       
       Salvador da Bahia ist eine spezielle Stadt. Wer sie zu Fuß durchwandert,
       findet urbanen Verfall. Hier verdichten sich die Probleme Brasiliens.
       
   DIR Kolumne Hier spricht Brasilien: Vögeln statt Fifa
       
       Im Stadion sitzen während der Weltmeisterschaft die reichen Eliten. Alle,
       auch die Fifa-Kritiker, lieben Fußball, aber bitte doch nicht so!
       
   DIR Biologische Fanartikel: Fähnchen zu Blümchen
       
       In Hildesheim produzieren Studenten biologisch abbaubare Fanartikel. Die
       Stoffe für Blumenketten oder Rasseln zerfallen innerhalb von sechs Wochen.
       
   DIR Kommentar Deutschland – Portugal: Kollektive Smartness-Demonstration
       
       Nach dem 0:4 klingt in Portugal selbst ein Fado wie eine fröhliche Melodie.
       Das Spiel der Deutschen hingegen bietet viel Grund zur Freude. Mehr davon.
       
   DIR Ticker Deutschland-Portugal: Der klassische Müller
       
       Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt die WM-Auftaktpartie gegen Portugal
       mit 4:0. Thomas Müller trifft in Salvador da Bahia dreimal.
       
   DIR WM-Check: Gruppe G und H: Ghana wird Weltmeister, wenn...
       
       Deutschland, Portugal, Ghana und die USA treffen in Gruppe G aufeinander;
       Belgien, Algerien, Russland, Südkorea in Gruppe H. Wer wird Weltmeister,
       wer fliegt?
       
   DIR Anti-WM-Proteste in Brasilien: Straßenfußball auf der Kreuzung
       
       Nach eher ruhigen Tagen kommt es in mehreren Städten zu Demonstrationen. In
       Brasilia streiken die Lehrer, in Rio zieht es den Black Block zum Maracanã.
       
   DIR Beklauter „Welt“-Reporter in Manaus: Stinkender Höllenritt
       
       Weil ihm sein Handy auf dem Weg zum Stadion geklaut wurde, verdammt ein
       Springer-Reporter eine ganze Stadt. Dabei entlarvt er sich selbst.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: Jeder Tag ein Verlustgeschäft
       
       2.200 Euro Miete pro Monat. Für 38 Quadratmeter. In Rio ein Spottpreis.
       Freundschaftsdienst. Bei 1.000 Euro Gehalt braucht es trotzdem neue
       Geschäftsideen.
       
   DIR England - Italien (Gruppe D): Ungeliebte Nachspielzeit
       
       Italien schlägt England 2:1 – und macht dabei alles andere als einen
       souveränen Eindruck. Beide Teams leiden unter dem Klima in Manaus.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: „Be welcome in Brazil!“
       
       Unterwegs in São Paulo: von angelernten Fifa-Grüßen, überfüllten
       U-Bahn-Zügen und vermeintlicher Flaggenpflicht in den Straßen.
       
   DIR WM-Kolumne Ordem e Progresso: So werden wie Dante
       
       In Salvador, dem schwarzen Herzen Brasiliens, lebt die Begeisterung für den
       Fußball. Hier will man sich zeigen auf der Bühne des Weltfußballs.