URI: 
       # taz.de -- WM-Senioren Gerrard und Pirlo: Last Men Standing
       
       > Zwei große alte Männer des Weltfußballs treffen am Samstag aufeinander:
       > der Engländer Steven Gerrard und der Italiener Andrea Pirlo.
       
   IMG Bild: Da waren sie noch jung: Gerrard (l.) und Pirlo im Champions-League-Finale 2005, das Liverpool gewann.
       
       Steven Gerrard 
       
       Als das Spiel vorbei war, weinte Steven Gerrard. Sein FC Liverpool hatte
       gerade Manchester City mit 3:2 besiegt. Vor dem Spiel war der Opfer von
       Hillsborough gedacht worden. 1989 war dort auch Gerrards Cousin umgekommen.
       Zu viel der Emotionen für Steven Gerrard. Er drückte seinen Kopf in die
       Armbeuge, wollte sich verstecken vor der Fernsehkamera.
       
       Dann sammelte sich Gerrard. Er brüllte: Der Kapitän schwor sein Team auf
       die kommenden Aufgaben ein: „Wir machen genau so weiter! Gemeinsam!“ Das
       Team um Mittelfeld-Viertaktmotor Gerrard stand an diesem Apriltag kurz vor
       der Meisterschaft. Doch dann kam der Mai. Ein 3:0-Vorsprung gegen Crystal
       Palace wurde verspielt. Meister wurde Manchester City.
       
       Der FC Liverpool wurde zuletzt 1990 englischer Champion. Damals gab es noch
       keine Premier League – und noch keinen Steven Gerrard in der höchsten
       englischen Spielklasse. Dieses 1990 muss lange her sein.
       
       Acht Jahre danach debütierte Gerrard in der ersten Mannschaft. Und er
       gewann mit Liverpool alles – außer der Meisterschaft: den Uefa-Cup, den
       englischen Pokal und 2005 die Champions League – im legendären Finale von
       Istanbul gegen Milan: 0:3 zur Pause, 3:3 nach der Verlängerung,
       Elfmeterschießen, Sieg.
       
       Im Jahr 2000 war Gerrard Nationalspieler geworden. Seitdem gewann er mit
       dem Drei-Löwen-Team nichts. Gar nichts. Im Gegenteil: Er erlebte
       Misserfolge. Bei der EM 2000 bezwang England das deutsche Team zunächst mit
       1:0. Gerrard spielte stark gegen Mehmet Scholl. Danach verletze er sich.
       England verlor das letzte Gruppenspiel 2:3 gegen Rumänien – und schied aus.
       In der Vorrunde. Gemeinsam mit den Deutschen. Doch während sich der DFB
       einem Zurück-zum-Erfolg-Programm unterwarf, ging es mit England weiter
       bergab. Tiefpunkt: die gescheiterte Qualifikation zur EM 2008.
       
       Die WM 2014 wird nun wohl das letzte Aufbäumen des Steven Gerrard im
       Nationaltrikot sein. Er ist 34 Jahre alt.
       
       Und sollte er scheitern? Kaum vorstellbar, dass Gerrard nach einem WM-Aus
       weinen würde. Er hat eine größere Liebe, ein höheres Ziel: Er will mit
       Liverpool Meister werden. „Wir klopfen uns jetzt den Staub ab“, sagte er
       nach dem verspielten Meistertitel: „We go again!“ Vor der WM war so etwas
       nicht von ihm zu hören. JÜRN KRUSE 
       
       Andrea Pirlo 
       
       Alle Welt redet nur noch über Fußball. Schluss damit! Sofort! Denn es wird
       Zeit, von einem der größten italienischen Gegenwartskünstler zu sprechen.
       Es handelt sich um einen Mann, dessen Spätwerk in diesen Tagen vollendet
       werden könnte und bei dem die ganze Welt darauf schaut, welche Farbtupfer
       er der Welt noch hinterlassen wird. Es könnten blaue Pinselstriche sein.
       Die Rede ist von Andrea Pirlo.
       
       Wenn dieser Andrea Pirlo, der unbestrittene Lenker des italienischen Teams,
       am heutigen Samstag im Spiel gegen England in das WM-Turnier startet, dann
       gilt es in der Tat genau hinzuschauen. Man achte auf den Mann mit dem
       kantigen Gesicht, dem Bart und den zotteligen Haaren, der den Ball behutsam
       streichelt, elegant durchs Mittelfeld ballettiert und das Leder annimmt,
       als wolle er es in Watte packen: Und da fangen wir an, wieder von Fußball
       zu sprechen, von Fußballkunst, um genau zu sein.
       
       Über das Spiel mit der Squadra Azzurra spricht der 35-jährige Pirlo
       genauso, wie er spielt: „Es ist kein Wunder, dass das blaue Trikot solche
       Emotionen hervorruft. Blau ist die Farbe des Himmels. Selbst wenn Wolken
       davor sind, weißt du immer noch, dass es dahinter ist.“
       
       In Pirlos Karriere schien meist die Sonne. Für ihn kann die WM 2014 nur
       noch Zugabe sein. Der bei Brescia geborene Mittelfeldregisseur, den sie in
       Italien l‘architetto, den Architekten, nennen, war 2006 mit Italien
       Weltmeister und 2012 Vize-Europameister, hat mit dem AC Mailand zwei
       Champions League-Titel gewonnen – die zahlreichen nationalen Meistertitel
       in Italien fallen da fast unter das Etikett schmückendes Beiwerk.
       
       Will man ihn künstlerisch einordnen, so passt er eher zur florentinischen
       Renaissance als zum Mailänder Futurismus. Denn er wirkt ein wenig aus
       seiner Zeit gefallen – sowohl, was das elegante, flüssige Spiel betrifft
       als auch, was die Ausstrahlung betrifft: Er hat etwas Netzerhaftes,
       Märtyrerhaftes an sich, das – verglichen etwa mit dem Auftreten eines
       Gennaro Gattuso – immer gentlemanlike wirkt.
       
       Pirlo könnte also WM-Titel Nummer zwei einheimsen. Und wenn das
       italienische Team mit den klimatischen Bedingungen klarkommt – am Samstag
       spielt man im tropischen Manaus gegen England (ARD, 24Uhr) – gehört es
       sicher zu den Mitfavoriten. JENS UTHOFF
       
       14 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
   DIR Jens Uthoff
       
       ## TAGS
       
   DIR WM 2014
   DIR Andrea Pirlo
   DIR England
   DIR Italien
   DIR WM 2014
   DIR WM 2014
   DIR Uruguay
   DIR Uruguay
   DIR WM 2014
   DIR Spanien
   DIR WM 2014
   DIR Spanien
   DIR Brasilien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Rambazamba: Gefühlt ein 5:5
       
       Obwohl die furiosen Türken nicht dabei sind, ist diese WM bislang ein
       Knaller. Viele Tore, keine nervigen Diskussionen – so geht gute
       Unterhaltung.
       
   DIR England scheitert in der Vorrunde: Kein Küsschen von der Queen
       
       „Ganz gut Fußball gespielt“ habe man, sagt Englands Coach Roy Hodgson.
       Dennoch ist England raus. Aber wer sind die Schuldigen für die Blamage?
       
   DIR Uruguay – England (Gruppe D): Suárez erlegt drei Löwen
       
       Die Angst der Engländer vor Uruguays Luis Suárez war begründet. Der Stürmer
       vom FC Liverpool erledigt Rooney und Kollegen im Alleingang.
       
   DIR Ausblick auf England – Uruguay: Nur keine Angst
       
       Liverpools Stürmer Daniel Sturridge gibt sich vor dem Spiel gegen Uruguay
       selbstbewusst: „Wir müssen nichts ändern – bis auf das Ergebnis“.
       
   DIR Kolumne Fußball-Wissenschaft: Ist der Star zurück?
       
       Das Kollektiv ist das Wichtigste, so der Trend im modernen Spitzenfußball.
       Doch bei dieser WM hat sich der Einzelspieler zurückgemeldet.
       
   DIR Kommentar Spanischer Fußball: Das Ende einer Ära?
       
       Weltmeister Spanien blamiert sich gegen die Niederlande bis auf die
       Knochen. Aber die 5:1-Klatsche könnte auch einen positiven Effekt haben.
       
   DIR Spanien - Niederlande (Gruppe B): Irgendwie historisch
       
       Holland demontiert den Weltmeister Spanien und gewinnt mit 5:1. Robben, van
       Persie und Co. spielten sich in einen regelrechten Rausch.
       
   DIR Niederlande vor dem WM-Auftakt: Orange Revanchegelüste
       
       In der Gruppe B kommt es zur Neuauflage des WM-Finales von 2010. Arjen
       Robben und Louis van Gaal gehen mit besonderer Motivation in die Partie.
       
   DIR Nationalspieler posiert mit Polizei: Poldi knipst ohne nachzudenken
       
       Die Proteste in Brasilien werden weltweit beachtet. Podolski und Özil haben
       nichts Besseres zu tun, als mit bewaffneten Sicherheitskräften
       strammzustehen.