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       # taz.de -- WM-Eröffnungsspiel Brasilien - Kroatien: Seleção siegt dank Schwalbe
       
       > Wackelige Gastgeber siegen zum Auftakt gegen Kroatien mit 3:1. Am Ende
       > entscheidet ein äußerst fragwürdiger Elfmeter die Partie.
       
   IMG Bild: Eine Strafstoß, der keiner war, entscheidet das Eröffnungsspiel der WM 2014.
       
       Die Startbedingungen: Direkt vor dem gut bewachten WM-Stadion in São Paulo,
       über dem etliche Militärhubschrauber kreisen, ist die Stimmung bestens. Ein
       gelb-grüner Menschenstrom bahnt sich seinen Weg zur Arena. Fotos über Fotos
       werden mit den Smartphones geschossen. Die Fans der Seleção sind von sich
       selbst begeistert. In der Innenstadt hingegen wurden Anti-WM-Proteste mit
       den bekannten Mitteln kleingehalten: Blendgranaten, Gummigeschosse,
       Tränengas.
       
       Die Seleção ist der haushohe Favorit. Doch auf der Straße im Stadtteil
       Villa Madalena herrscht Pragmatismus vor. Ein schmutziger 1:0-Sieg, so
       lautet der Tenor, reicht völlig aus. Von wegen die Brasilianer wollen nur
       das „jogo bonito“ („das schöne Spiel“) sehen. An diesem Tag kann man sie
       auch mit Huub-Stevens-Fußball glücklich machen. Die Kroaten müssen zwar auf
       den gesperrten Bayern-Stürmer Mario Mandžukić verzichten. Aber das ist,
       wenn man Davor Šuker, dem einstigen Stürmerstar und heutigen
       Fußballpräsidenten, glauben darf, auch irgendwie egal: „Weltmeister kann
       Kroatien nur auf der Playstation werden.“
       
       Das Spiel: Die WM beginnt mit einem Eigentor. Symbolträchtiger hätte sich
       kein Protestkomitee den Beginn dieses Turniers ausmalen können. Marcelo ist
       der Unglückliche, der – nach einer Flanke von Ivica Olić und der
       verunglückten Intervention des kroatischen Stürmers Nikica Jelavić – den
       Ball ins eigene Tor lenkt. Elf Minuten sind da gespielt. Schon zuvor haben
       die Kroaten eine Großchance vergeben. Olić köpft knapp am Tor vorbei.
       Rakitić und Modrić sind die perfekten Ideengeber für das kluge kroatische
       Umschaltspiel.
       
       Die Außenverteidiger der Seleção, insbesondere Dani Alves, rücken
       allerdings auch extrem weit nach vorn aus. So kann eben der selbst nicht
       mehr so schnelle Olić das Tor einleiten. Doch die Brasilianer finden
       Schritt für Schritt in die Partie. Mit ihrem Tempofußball und ihrem
       laufintensiven Pressing, weit in der gegnerischen Hälfte, stürzen sie die
       Kroaten mit zunehmender Spieldauer von einer Verlegenheit in die nächste.
       
       Besonders beliebtes Angriffsmuster: Diagonale Pässe, aus der Defensive
       direkt in die Spitze gespielt, wo Alves sich so gern aufhält. Zum
       Hauptregisseur des Spiels wird aber Neymar, der an fast allen gefährlichen
       Situationen beteiligt ist. Als er es in der 28. Minute ganz auf eigene
       Faust versucht, gelingt ihm der Ausgleichstreffer. Ein langer Sprint durchs
       Mittelfeld, ein Schuss, der nicht sonderlich stramm, aber sehr platziert
       ist, und die Glücksgefühle auf den Tribünen müssen kilometerweit zu hören
       sein.
       
       In der zweiten Hälfte verliert die Partie etwas an Dynamik. Ein scharf
       geschossener Freistoss von Alves verfehlt das Ziel. Neymar kann einen
       groben Patzer von Ćorluka nicht nutzen. Da kommt der japanische
       Schiedsrichter Yuichi Nishimura zur Hilfe und gibt einen unberechtigten
       Elfmeter, nachdem Fred ohne Gegnereinwirkung stürzt. Torhüter Stipe
       Pletikosa kann den wiederum nicht sonderlich scharf getretenen Schuss von
       Neymar nur ins eigene Tor lenken. Die Kroaten haben danach noch gute
       Ausgleichsmöglichkeiten. Ein Schuss von Luka Modrić kann Torhüter Júlio
       César gerade noch so parieren. Erst ein Konter bringt die Entscheidung.
       Oscar erhöht auf 3:1.
       
       Der entscheidende Moment: Der japanische Schiedsrichter Yuichi Nishimura
       entscheidet leider dieses so spannende Duell mit seinem falschen
       Elfmeterpfiff, gerade in dem Moment als das Spiel so beruhigt und
       ausgeglichen war wie nie zuvor.
       
       Spieler des Spiels: Eindeutig Neymar. Auf bewundernswerte Weise kam er mit
       dem immensen Erwartungsdruck zurecht, der auf ihm lastete. Ein großer
       Ballverteiler und Vollstrecker mit einem unglaublichen Laufpensum.
       
       Die Pfeife des Spiels: Aus Sicht des Publikums eindeutig die
       Staatspräsidentin Dilma Rousseff. „Fuck you Dilma“, rufen sie auch noch
       während der Nachspielzeit. Es war aber auch ein böser Streich der
       Stadionregie, der sie beim Jubeln auf der Videoleinwand zeigte.
       
       Die Schlussfolgerung: Durchs Stadion wehte ein kühler Abendwind. Bei diesem
       Klima haben auch die großen europäischen Teams eine Chance, sofern die
       Schiedsrichter nichts dagegen haben.
       
       Und sonst? Das brasilianische Publikum ist eine wahre Freude. Statt sich,
       wie in Europa üblich, in monotonen Fangesängen zu ergehen, reagiert es nur
       auf das Geschehen auf dem Spielfeld. Ein imposanter Lärmpegel.
       
       13 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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