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       # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Der große Sieg
       
       > Und was denken Sie, wenn Sie „Öko“ lesen? Vermutlich „Ökologie“, oder?
       > Eben. Die Geschichte einer Vorsilbe, die auch die Geschichte guter Ideen
       > ist.
       
   IMG Bild: Das ist Karl der Käfer. Er wurde gefragt. Endlich.
       
       Die Augen gingen mir auf zwischen Babywindeln und Frühstücksspeck irgendwo
       in Gang 13. Im Leclerc-Supermarkt im Pariser Vorort St. Cloud wurde mir vor
       acht Jahren schlagartig klar, dass wir Ökos den Kampf gewonnen haben. Also
       zuerst in Deutschland. Aber sicher auch bald im Rest der Welt.
       
       Naiv wie ich als Neuling in Paris damals war, hatte ich in diesem
       Riesensupermarkt eine Entdeckung gemacht: Alles öko hier! Gelb auf blau und
       sogar mit Ausrufezeichen!! Das Klopapier: „Éco!“ Der Joghurt: „Éco!“ Sogar
       die Filzstifte für die Kinder: „Éco!“ Und dann auch noch alles so billig!
       Meine Frau Anna, studierte Romanistin, lachte laut los, als ich zu Hause
       von meinem Ökofischzug berichtete. „Éco heißt nicht öko“, belehrte sie
       mich. „Faire l’économie, das heißt sparen.“
       
       Statt Bioessen und nachhaltigem Hinternwischpapier waren die tollen
       Angebote also Supersparpreise. Ah oui, eines meiner Missverständnisse in
       der Sprache Gustave Flauberts, dem noch einige folgen sollten.
       
       Kurz war ich enttäuscht. Dann dachte ich: Darauf hoffen wir doch seit 50
       Jahren. Denn woran denken Sie, wenn Sie die Vorsilbe Öko- hören? Genau, an
       die Zauberfee Ökologie und nicht an ihre hässliche Schwester, die Ökonomie.
       Diese Vorsilbe hat sich die Umweltbewegung erobert und gibt ihn nicht mehr
       her.
       
       In einer Welt, in der die eigene Marke die Existenz sichert, ist das ein
       riesiger Vorteil. Wir könnten uns jetzt lange freuen über den Sieg des
       Wortes (logos) über das Gesetz (nomos) oder tief darüber nachsinnen, dass
       Wirtschaft und Umwelt so zusammenhängen wie im gleichnamigen Ressort der
       taz. Egal. Wer Öko- sagt, der meint die Rettung der Welt: in Gummistiefeln
       Kröten über die Straße tragen statt im Businessanzug Kröten scheffeln.
       
       Zumindest in Deutschland liegen Sie damit voll im Mainstream. Braten Sie
       für Freunde Ökofischstäbchen, denken alle, Sie seien im Bioladen gewesen.
       Legen Sie Ihr Geld in Ökoanleihen an, dann wissen alle, dass Sie Mitleid
       verdient haben. Nennen Sie Ihren Nachbarn einen Ökozausel, ist es klar,
       dass er nicht Chef einer Chemiefabrik ist.
       
       ## Die Eco-Design-Richtlinie
       
       Der Rest der Welt tickt schon ähnlich. Die Eco-Design-Richtlinie der EU
       dreht sich nicht um möglichst billiges Aussehen, sondern um
       umweltverträgliche Produkte. Der Ökotourismus darf mehr kosten, weil er
       unser Gewissen, nicht die Brieftasche entlastet.
       
       „Schon klar“, sagt mein Freund Ernst, der sicher kein Öko ist. „Aber was
       ist mit Ökoautos oder Ökokühlschränken? Die sind ökologisch, gerade weil
       sie ökonomisch sind.“ Es klang wie ein Werbespot der Autokonzerne, die sich
       seit hundert Jahren gegen das Dreiliterauto wehren.
       
       Aber hat er recht? Sind Umwelt und Wirtschaft keine Gegensätze mehr? Haben
       wir das grüne Nirwana schon erreicht und es nur nicht gemerkt? Sind -nomie
       und -logie doch siamesische Zwillinge, und lösen wir alle Widersprüche
       zwischen Naturschutz und Wirtschaftswachstum durch fair gehandeltes
       Biobenzin, das Waisenkindern eine Ausbildung finanziert?
       
       Da muss ich Sie enttäuschen. Dass Öko und Öko immer noch Todfeinde sind,
       merken Sie ganz einfach an dieser Frage: Was verstehen elf von zehn
       Deutschen unter einer Ökodiktatur? Antwort: Wenn Glühbirnen verboten
       werden, die viel mehr Wärme als Licht erzeugen. Und nicht, wenn sie mit
       ihrem Steuergeld Banken retten, von denen sie vorher mit Schrottkrediten
       betrogen wurden.
       
       9 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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