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       # taz.de -- Umfeld des NSU: Verfassungsschutz schützt Spitzel
       
       > Der Fall des V-Manns Thomas R. bleibt rätselhaft. Fragen könnte ein
       > weiterer Spitzel beantworten. Aber Hamburgs Verfassungsschutz schirmt ihn
       > ab.
       
   IMG Bild: Macht dicht: Der Hamburger Verfassungsschutzchef Manfred Murck.
       
       BERLIN taz | Seit 2007 steht der Mann im Dienst des Hamburger
       Verfassungsschutzes. „Zuverlässig und wahrheitsgemäß“ habe der Informant
       aus der rechtsextremen Szene berichtet, heißt es aus der Behörde. Ende
       Februar habe er beim Aufräumen Brisantes wiederentdeckt: eine DVD voller
       Neonazi-Bilder, Titel „NSU/NSDAP“. Noch heikler ist das Jahr, aus dem die
       DVD stammen soll: 2006 – fünf Jahre vor Enttarnung der
       NSU-Rechtsterroristen.
       
       Waren die Untergetauchten Teilen der Neonazi-Szene also doch seit Jahren
       bekannt? Wusste auch der Verfassungsschutz davon? Offene Fragen, die nach
       dem Auftauchen der DVD noch lauter gestellt werden.
       
       Dies umso mehr, als der Hamburger Verfassungsschutz diese Woche selbst
       offiziell den Fund einräumte – und ergänzte: „Anhaltspunkte“ sprächen
       dafür, dass ein gewisser „Corelli“ die DVD versendet habe. Hinter diesem
       Decknamen steckt Thomas R., jahrelang Top-Spitzel des
       Bundesverfassungsschutzes.
       
       Und „Corelli“ bewegte sich im NSU-Umfeld: Sein Name fand sich auf einer
       Kontaktliste der Terroristen. R. sollte auch im laufenden NSU-Prozess in
       München befragt werden. Dann aber starb er im April plötzlich an einer
       unerkannten Diabetes.
       
       Bliebe also der Hamburger Informant, der noch Auskunft geben könnte. Nur:
       Der dortige Verfassungsschutzchef Manfred Murck macht dicht. Er verschickte
       am 21. Mai eine Sperrerklärung für den V-Mann an die Bundesanwaltschaft:
       keine weiteren Auskünfte. Weder Name noch Anschrift des Informanten würden
       herausgegeben. Andernfalls, erklärte Murck, seien die „gesamte Existenz“,
       auch „Leib und Leben“ des Manns gefährdet.
       
       Die Opposition im Bundestag reagiert empört. „Das ist einfach nicht
       hinnehmbar“, kritisiert die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner. Die
       Weigerung mache deutlich, dass für den Verfassungsschutz auch nach den
       NSU-Morden „Quellenschutz vor Strafverfolgung geht“. Der Grüne Christian
       Ströbele fordert ein Einschreiten von Generalbundesanwalt Harald Range.
       „Angesichts der Dramatik der NSU-Verbrechen muss er den Vermerk aufheben
       lassen und den V-Mann befragen.“
       
       Die Bundesanwaltschaft erhielt im März aus Hamburg die DVD. Seitdem
       ermittelt sie zu dem Fall. Ein Sprecher sagte, man bemühe sich „nach wie
       vor intensiv darum, den Sachverhalt nachdrücklich aufzuklären“.
       
       Strittig bleibt, wie der DVD-Titel zu werten ist. Ermittler halten es für
       wahrscheinlich, dass das Kürzel "NSU" zufällig gewählt wurde. Die Hamburger
       Verfassungsschützer sprechen nun aber davon, dass "ein Bezug zum NSU
       möglich sein könnte".
       
       Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, und
       Generalbundesanwalt Range mussten wegen des Falls bereits im Mai im
       Innenausschuss des Bundestags vorsprechen. Die Opposition will sie vor der
       Sommerpause nun erneut vorladen. Zudem bestellte das
       Bundestags-Kontrollgremium für die Geheimdienste sämtliche Akten zu
       "Corelli" ein.
       
       In Hamburg wurde der lokale Kontrollausschuss bereits vertraulich über den
       V-Mann informiert. Die Sperrerklärung kann die Opposition aber auch dort
       nicht nachvollziehen. "Es muss eine Möglichkeit der Befragung geben, und
       sei es anonym", sagt die Landes-Grüne Antje Möller.
       
       6 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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