# taz.de -- Kamerun im Anti-Terror-Krieg: „Volksverteidiger“ gegen Boko Haram
> Mit 3.000 Soldaten und Gendarmen jagt Kameruns Militär Nigerias
> Islamisten. Kameruns Präsident Biya will sich als der bessere
> Terrorbekämpfer profilieren.
IMG Bild: Gambaru, an Nigerias Grenze zu Kamerun, nach dem Durchzug von Boko Haram.
BERLIN taz | Der äußerste Norden von Kamerun, 1.500 Kilometer entfernt von
den Bevölkerungszentren am Meer, ist für die kamerunische Politik meistens
sehr fern. Seit einer Woche aber dreht sich in Kamerun alles um den
schmalen Savannenstreifen zwischen Nigeria und Tschad. 3.000 kamerunische
Soldaten und Gendarmen kämpfen dort gegen die nigerianische Islamistenarmee
Boko Haram in deren Rückzugsgebieten.
Beim bisher schwersten Zusammenstoß sollen am Montag nach offiziellen
Angaben 40 bis 60 Boko-Haram-Kämpfer getötet worden sein, als eine Kolonne
der Islamisten nahe der Kleinstadt Dabanga in einen Hinterhalt der Armee
geriet. Normalerweise legen Rebellen Hinterhalte gegen reguläre
Streitkräfte, nicht umgekehrt. Das zeigt, wie komplex die
Kräfteverhältnisse sind.
Direkt jenseits der Grenze, in Nigeria, liegen einige der Orte, die unter
Boko Haram am meisten gelitten haben: Gambaru zum Beispiel, wo Anfang Mai
Boko Haram mindestens 300 Menschen tötete. Auf der kamerunischen Seite des
Grenzflusses, an dem Gambaru liegt, befindet sich das Dorf Fotokol mit
einer Oberschule in Sichtweite Nigerias - genau so eine wie die im
nigerianischen Chibok, aus der Boko Haram in der Nacht zum 15. April 276
Mädchen entführte.
300 Soldaten des „Schnellen Eingreifbataillons“ (BIR) der kamerunischen
Armee sichern nun die Schule in Fotokol. 5000 Mann zählt die BIR, 3000
davon sind nun im Norden im Einsatz. „Die Kameruner müssen wissen, dass der
Armeechef einen Befehl erteilt hat, der umgesetzt wird“, sagte
Armeesprecher Oberstleutnant Didier Badjeck in einem Interview. Der
„Armeechef“ ist Kameruns 81jähriger Präsident Biya, der verkünden ließ, man
dürfe ihn in Sachen Boko Haram „sogar nachts aufwecken“.
## „Die Elemente von Boko Haram leben unter uns“
Zwei Sicherheitstreffen im Norden legten am Samstag fest, als erstes gelte
es, Komplizen der Islamisten zu identifizieren. „Die Elemente von Boko
Haram leben unter uns“, erklärte Armeesprecher Badjeck. „Es ist sehr
schwer, ein Element dieser Bewegung von einem Landsmann zu unterscheiden.“
Man betreibe „Volksverteidigung“. Deutlicher drückte sich der traditionelle
Chef Haman Moussa aus: „Wir werden die Kräfte des Bösen bekämpfen. Ein
Krieg ohne Gnade hat begonnen.“
Dafür verteilte die Regierung umgerechnet 27.400 Euro an die lokalen
Präfekten. Aufgescheucht wurde Kamerun durch den Boko-Haram-Sondergipfel am
17. Mai in Paris. Nachdem dort Nigerias Präsident Goodluck Jonathan an die
Solidarität Afrikas appellierte und Frankreich eine engere militärische
Zusammenarbeit mit Tschad auf den Weg brachte, schien Kamerun isoliert zu
sein.
Jetzt will sich die Regierung Biya als der effizientere Kriegsführer
profilieren. Von offizieller kamerunischer Seite heißt es, man denke an die
Entsendung von Spezialeinheiten, ganz anders als Nigerias
zusammengewürfelte „Joint Task Force“.
Kamerun hat aber keine Spezialeinheiten, und anders als Nigeria oder Tschad
auch keine Kampfhubschrauber, ohne die eine Guerilla im Busch kaum zu
schlagen ist. Als nächstes steht daher vermutlich die Forderung nach mehr
Militärhilfe an.
Erst aber muss Kameruns Militär sich beweisen. Insgesamt 700 bis 1.000
Boko-Haram-Kämpfer sollen Medienberichten zufolge aus Nigeria die Grenze
überschritten haben. Noch wurden die meisten nicht geschnappt.
4 Jun 2014
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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