URI: 
       # taz.de -- Deutschlandkonzert von Prince abgesagt: Ikone mit Katzenaugen
       
       > Er hat den Funk neu veranschaulicht und die Fans verklagt. Eine Hommage
       > an den Mann auf High Heels, der sein Deutschlandkonzert abgesagt hat.
       
   IMG Bild: Prince – „Jehova’s sexiest witness“.
       
       Anfang März dieses Jahres saß Prince neben Arsenio Hall in dessen (bereits
       wieder eingestellter) CBS-Talkshow, in einem senfgelben, ärmellosen
       Rollkragen-Catsuit mit Pelzweste und Blingbling-Kette darüber, das makellos
       glatte Gesicht teilweise verdeckt von einem kontrolliert explodierten Afro
       und einer Sonnenbrille, und beantwortete Fragen aus dem Publikum. „Was
       nervt dich?“ „Wenn mir einer ins Haar fasst.“ Dann erzählte er, wie er bei
       einer Oscar-Afterparty im Februar im Eifer des Gefechts andauernd von
       Fremden gestreift wurde. „Meistens von Typen“.
       
       Mit ihm will eben jeder auf Tuchfühlung gehen. Um zu gucken, ob der
       ikonische Plateauschuhkünstler mit den perfekt geschwungenen Katzenaugen
       wirklich echt ist: Alter scheint bei ihm weder sichtbar noch psychisch
       Spuren zu hinterlassen – er feiert am nächsten Samstag seinen 56.
       Geburtstag –, seine Größe, besser seine Zartheit von 158 Zentimetern wird
       höchstens wohlwollend ironisiert.
       
       Nicht einmal das gleich in mehrfacher Hinsicht irre Gerücht, Prince habe
       sich gegen die aufgrund des jahrelangen Tragens von Highheels nötig
       gewordene Künstliche-Hüfte-Operation entschieden, weil seine Religion den
       Einsatz von Blutkonserven verbiete, hat sich lange halten können.
       
       „Jehova’s sexiest witness“, wie er von der US-Presse genannt wird, ist
       zudem einer der konsequentesten Musikerinnenförderer der Musikgeschichte,
       hatte einst neben dem großartigen Damenduo Wendy & Lisa auch die
       vielseitige Perkussionistin Sheila E. für seine Begleitband „The
       Revolution“ gewinnen können, eine Band, die nach dem „Sly Stone“-Vorbild
       aus verschiedenen Geschlechtern und Rassen bestehen sollte.
       
       ## „Rule my world“
       
       Er produzierte jede Menge weiblicher Künstler, und sang in „Kiss“ die
       legendäre Zeile „Women not girls / rule my world“, die der – gegen Prince –
       wie ein freundlicher, betagter Grabschonkel abstinkende Waliser Tiger Tom
       Jones weiland in seinem erfolgreichen „Kiss“-Cover mit „Women AND girls /
       rule my world“ völlig falsch interpretierte: Dem kleinen Karamellfarbenen
       ging es darum, erfahrenen, erwachsenen Frauen zu huldigen, dem großen
       Braungebrannten dagegen eher nur um das eine, und zwar am liebsten
       „jailbait“. Aktuell spielt Prince mit dem All-Women-Trio 3rd Eye Girl. „Ich
       bin freundlicher, wenn ich mit Frauen Musik mache“, sagte er unlängst der
       Modezeitung V Magazine, „wenn eine sich verspielt, flippe ich nicht sofort
       aus.“
       
       Ausflippen sieht man ihn ohnehin ausschließlich auf der Bühne: Der als
       Prince Roger Nelson geborene Mann, der angeblich mit sieben einen ersten
       Song mit dem Titel „Funk Machine“ komponierte, hat es in 35 flamboyanten
       Karrierejahren geschafft, sich als Privatperson fast unsichtbar zu machen.
       Infos über sein Leben abseits der Musik sind spärlich.
       
       Neben der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas, eine Entscheidung, die
       manche BeobachterInnen mit dem traumatischen Tod seines zu früh und mit
       einer schweren Erberkrankung geborenen einzigen Sohnes in Verbindung
       bringen, weiß man vor allem von seiner Leidenschaft für das rigorose
       Verklagen von Plattenfirmen, die ihn seiner Ansicht nach wie eine
       Weihnachtsgans ausnehmen wollen, und Anhängern, die nicht legitimierte
       Inhalte verbreiten.
       
       Anfang des Jahres hatte er in einem beispiellosen Verfahren 22 seiner Fans
       auf je eine Million Dollar verklagt, weil sie unautorisierte Aufnahmen
       seiner Liveauftritte per Internet anderen Fans zugänglich machten. Die
       meisten der Adressaten der 21-seitigen Anklageschrift blieben darin
       allerdings anonym.
       
       Ansonsten: Prince isst kein Fleisch, trinkt gern Tee, tanzt trotz hoher
       Absätze wie ein Derwisch, steht auf Sex, und vielleicht hat er sogar die
       „text language“ erfunden, die heute nicht nur beim SMS-Schreiben üblich
       ist. Denn mehr noch als Wires „1 2 X U“ von 1977 hat vor allem Princes 1984
       erschienene „I would die 4U“ das Ersetzen von Worten und Silben durch
       gleich klingende Zahlen oder Buchstaben fest in der Gesellschaft der
       AbkürzerInnen verankert, die jetzt eifrig „2nite“ oder „gr8“ in ihre Handys
       und E-Mails tippen – was den Paten dieses Brauchs verärgern wird, denn
       angeblich hasst Prince „mobiles“. Und das Internet, das ihm eh ständig
       Ärger macht, kann er sowieso nicht ab.
       
       ## Glamourös-queer im Esotraum
       
       Musikalisch ist und bleibt dennoch alles in Butter. Prince wollen die Ideen
       nicht ausgehen: Er hatte in den 80ern den Funk neu veranschaulicht, ihn
       angereichert mit universal relevanten Texten (wie in „Sign o’ the times“)
       und glamourös-queeren Outfits in Bootsy-Collins- und Jimi-Hendrix-Manier,
       ihn dann elegant durch die 90er getragen und in den 00ern liebevoll
       bewahrt.
       
       In den stattlichen, einem psychedelischen Esotraum ähnelnden
       Paisley-Park-Studios seiner Heimatstadt ersinnt er zwar keine Zukunftsmusik
       mehr, aber noch immer Sounds, die sich zu Recht in Charts und Ohr
       festsetzen. Bei der neuen Zusammenarbeit mit „3rd Eye Girl“ grast er mit
       Songs wie „Breakfast can wait“ demzufolge genüsslich in Funk, Rock und Pop,
       Hauptsache, es geht in die künstlichen und natürlichen Hüften.
       
       Am Dienstagabend sollte Prince, das (S)Ex-Symbol aus Minneapolis, sein
       einziges, frech kurzfristig, nämlich nur sieben Tage im Voraus,
       angekündigtes Deutschlandkonzert im Berliner Tempodrom geben. Allerdings
       wurde sein Auftritt am Montagabend abgesagt – „aus produktionstechnischen
       Gründen“. Die nun vorerst nutzlosen Karten kosteten bis letzte Woche ab 297
       Euro aufwärts, in den letzten Tagen waren sie jedoch schon ab 188 Euro zu
       haben – eventuell hatte sich herumgesprochen, dass man dem Wiener
       Prince-Gig am 7. Juni bereits ab 79 Euro stehend beiwohnen darf.
       
       Ein Schnäppchen sozusagen. Denn auch wenn man es ihm nicht ansieht, ist
       Prince der letzte Künstler seiner Generation, der tatsächlich als technisch
       versierter und leidenschaftlicher „Mucker“ ins Business eingestiegen und
       dabei geblieben ist. Ihm geht es um Musik und um ihre bestmögliche
       Präsentation. Mit Weltverbesserung, Kabbalah, dem Organisieren von teuren
       Hochzeiten oder dem Vertuschen von Drogenkonsum braucht man ihm nicht zu
       kommen. Okay, der Mammon könnte auch noch eine Rolle spielen.
       
       3 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
   DIR Soul
   DIR Konzert
   DIR Berlin
   DIR Popmusik
   DIR Pop
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Zwei neue Alben von Prince: Der kleine Trotzprinz
       
       Mal queeres Hybrid, mal Antirockist: Prince ist wieder da und legt mit „Art
       Official Age“ und „Plectrumelectrum“ gleich zwei neue Alben vor.
       
   DIR Neues Album von Metronomy: Dancerock ohne Arschlöcher
       
       Weder hip, noch cool. Einfach nur straight: Die britische Band Metronomy
       veröffentlicht mit ihrem neuen Werk „Love Letters“ beste postmoderne
       Popmusik.
       
   DIR Neues Album von Beck: Die Post-Winona-Ryder-Ära
       
       Vorzeige-Slacker und Hobby-Scientologe Beck Hansen ist wieder da. „Morning
       Phase“ ist ein gutes Comeback-Album geworden – mehr aber nicht.
       
   DIR Sänger Prince in Berlin: Lets go crazy
       
       Im Endlosmedley-Rausch durch 30 Jahre Prince-Geschichte: Der Auftritt von
       Prince in der Berliner Waldbühne war das virtuoseste Popspektakel des
       Jahres.