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       # taz.de -- Flucht: Lampedusa auf der Straße
       
       > Die Lampedusa-Gruppe und ihre Unterstützer demonstrierten am Samstag für
       > ein Bleiberecht. Sie fordern direkte Gespräche mit dem Senat.
       
   IMG Bild: Keineswegs gelöst ist die Situation in den Augen der Lampedusa-Gruppe und ihrer Unterstützer.
       
       HAMBURG taz | Die libyschen Kriegsflüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in
       Hamburg“ haben sich auf der Straße zurückgemeldet: am Samstag
       demonstrierten mehr als 500 Menschen durch die Innenstadt und besetzten
       mehrere Stunden den Rathausmarkt, anfangs noch mit Duldung der Polizei.
       
       „Wir sind nicht hier, um Geld vom Sozialstaat zu erhalten, sondern um hier
       zu leben und zu arbeiten“, sagte Lampedusa-Sprecher Asuquo Okono Udo. Die
       Rückmeldung der Flüchtlinge auf der Straße erfolgt dabei in doppelter
       Hinsicht: Heute löst die St. Pauli Kirche am Pinnasberg die
       Container-Unterkunft nach einem Jahr kirchlichen Asyls auf.
       
       ## Leben auf der Straße
       
       Der Protest war kurzfristig angesetzt worden, damit nicht der Eindruck
       entsteht, nach Auflösung der kirchlichen Unterkunft am Pinnasberg habe sich
       das Problem der 300 libyschen Wanderarbeiter erledigt. Seit einem Jahr
       befindet sich das Gros der Flüchtlinge, die sich zur Gruppe Lampedusa
       zusammengeschlossen haben und der Gewerkschaft Ver.di beigetreten sind,
       mehr oder weniger auf der Straße.
       
       Der SPD-Senat lehnt weiterhin ein humanitäres Bleiberecht nach Paragraf 23
       Ausländergesetz als Kollektiv ab, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.
       Zudem verweigert er jeden direkten Kontakt zur Gruppe.
       
       Seit dem 2. Juni vorigen Jahres hatte die Nordkirche und vor allem die St.
       Pauli Kirche der Gruppe Unterkunft gewährt, zeitweise waren dort bis zu 120
       Flüchtlinge untergebracht. Zuletzt waren sie in Container übergesiedelt,
       weil ein Übernachten im Winter im unbeheizten Kirchenschiff nicht möglich
       gewesen wäre. Die letzten 24 in den Containern unterbrachten Männer müssen
       nun in städtische Unterkünfte umziehen.
       
       Während im vergangenen Herbst wöchentliche Demonstrationen auf das
       Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam machten, war es in den letzten Monaten
       ruhig um sie geworden. Die Innenbehörde erklärte zudem, das Gros der
       Flüchtlinge sei nach Italien zurückgekehrt.
       
       Dass dem so nicht ist, zeigte der Samstag. „Wir flohen aus dem Krieg gegen
       Libyen, der im Interesse der Nato-Mitgliedstaaten geführt wurde“, sagte
       Sprecher Asuquo Udo auf dem Rathausmarkt. „Wir, die Arbeiter des Landes,
       mussten um unser Leben laufen.“ Die EU habe damals versprochen zu helfen.
       „Aber nun leben wir seit drei Jahren auf den Straßen Europas, ohne etwas zu
       haben, obwohl wir offiziell anerkannte Flüchtlinge sind.“
       
       ## Das Geld geht aus
       
       Die Lampedusa-Flüchtlinge verlangen eine Arbeitserlaubnis. „Im Moment ist
       das das einzige, was uns helfen kann, damit wir und unsere Familien
       überleben“, sagte Udo. Während seiner Rede hielten viele Afrikaner ihre
       Pässe hoch und forderten ein Gespräch mit den politische Verantwortlichen
       im Rathaus. Den Unterstützern geht nach einem Jahr vielfach die Puste aus,
       vor allem finanziell. „Die Spendenbereitschaft ist zurückgegangen, weil es
       ruhiger geworden ist“, sagte eine Unterstützerin aus der Hafenstraße, die
       Solidaritäts-T-Shirts verkauft.
       
       Nach anfänglicher Zurückhaltung war die Polizei später bemüht, den
       spontanen Protest auf dem Rathausmarkt aufzulösen. Lampedusa-Sprecher Udo
       forderte eine offizielle Kundgebung bis 17 Uhr, die die innenpolitische
       Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider, anmelden wollte.
       
       ## Die Führung unerreichbar
       
       Der Polizeiführer vor Ort sah sich wegen der Bannmeile jedoch nicht in der
       Lage, dem zu entsprechen und eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. „Der
       Führungsstab konnte niemanden von der politischen Führung erreichen“, sagte
       er. „Wir sind gezwungen, diesen illegalen Zustand zu beenden.“
       
       Auch die Versuche von Christiane Schneider, Senator Neumann auf seinen
       Handys zu erreichen, misslangen. „Er kennt meine Nummer und geht nicht
       ran“, konstatierte sie. Gegen 17 Uhr zogen die Lampedusa-Demonstranten ab
       und machten sich auf den Weg ins Millerntorstadion, wo der FC Lampedusa in
       einem Benefizspiel gegen eine FC-St-Pauli-Fanauswahl antrat. Die
       innenpolitische Sprecherinnen der Grünen und der Linken, Antje Möller, und
       Christiane Schneider, haben die Lampedusa-Gruppe in dieser Woche gemeinsam
       zu einem Gespräch ins Rathaus eingeladen, um die aktuelle Situation zu
       beraten.
       
       1 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
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