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       # taz.de -- Kleinbauern in Entwicklungsländern: Fair, aber bitte günstig
       
       > Landarbeiter werden auf Fairtrade-Plantagen nicht anständig bezahlt, gibt
       > die Branche selbst zu. Das liegt auch an den knausrigen Kunden im Westen.
       
   IMG Bild: Safran-Ernte in Indien: Das ist nicht fair
       
       BERLIN taz | Der faire Handel hat ein branchenweites Problem, wie eine
       Studie der University of London kritisiert: Die Landarbeiter werden nicht
       angemessen bezahlt. Die Unternehmen räumen dies ein. „Es gibt tatsächlich
       das Problem der Wanderarbeiter“, sagt Thomas Speck, Geschäftsführer der
       Gepa, deren Siegel fair gehandelte Lebensmittel kennzeichnet.
       
       Denn die Arbeitgeber der Landarbeiter, die Kleinbauern, seien selbst „meist
       noch in keiner besonders komfortablen Situation“. So habe beispielsweise
       nicht jeder Kleinbauer eine Sozialversicherung. Man arbeite daran, die
       Situation der Landarbeiter zu verbessern, doch auf schnelle Veränderungen
       hofft Speck nicht. „Das ist eine Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren
       noch haben.“
       
       Die Studie hatte in der vergangenen Woche Zweifel am Konzept des fairen
       Handels ausgelöst. Die Autoren bemängelten, dass gerade Landarbeiter
       finanziell nicht von dem System profitieren würden. Im Gegenteil: Die
       Landarbeiter würden mitunter sogar weniger verdienen als bei
       konventionellen Betrieben.
       
       Claudia Brück, Sprecherin von Transfair, kritisiert zwar, dass in der
       britischen Studie etwa Plantagen aus unterschiedlichen Regionen verglichen
       würden. Indirekt räumt sie allerdings ein, dass die Löhne mancherorts nicht
       so hoch sind, wie das wünschenswert wäre. Denn im Januar hat die
       Organisation einen neuen Standard verabschiedet, der unter anderem
       „existenzsichernde Löhne“ für die abhängig Beschäftigten vor Ort vorsieht.
       Im März ist er in Kraft getreten.
       
       Dennoch bleibt ein Problem: Die Kleinbauern sind im Nachteil gegenüber den
       großen Plantagen, die billiger kalkulieren und die Preise niedrig halten
       können. „Die Kleinbauern haben Schwierigkeiten anzuerkennen, dass sie in
       dem Bestreben, wirtschaftlich voranzukommen, auch ihre Arbeiter mitnehmen“,
       sagt Brück. Argument sei stets, dass sie selbst zu wenig verdienen würden.
       
       ## Kunden zahlen die steigenden Preise nicht
       
       Auch mit dem neuen Standard steigen die Löhne nicht sofort: Zunächst müsse
       in den jeweiligen Regionen evaluiert werden, was eigentlich
       „existenzsichernd“ sei. Zudem darf der Standard nicht dazu führen, dass die
       Kleinbauern nicht mehr konkurrenzfähig sind. „Wenn eine Plantage mehr zahlt
       und die andere nicht, kann die besser Zahlende für den Markt zu teuer
       werden“, sagt Brück. Händler nehmen die Produkte dann nicht mehr ab, weil
       sie die höheren Preise meist nicht an ihre Kunden weiterreichen können.
       
       Denn die Endverbraucher sind heikel. Wie eine Studie der Bundesvereinigung
       der Deutschen Ernährungsindustrie ermittelt hat, steigt zwar die
       Bereitschaft der Konsumenten, für fair gehandelte Lebensmittel mehr zu
       bezahlen. Gaben 2008 noch 20 Prozent der Befragten an, höhere Preise zu
       akzeptieren, waren es 2012 bereits 24 Prozent. Doch mit Grenzen. Eine
       Erhebung von Transfair aus dem Jahr 2012 ergab, dass viele Kunden für fair
       gehandelte Produkte nur maximal zehn Prozent mehr bezahlen wollen. Während
       drei Viertel der Befragten einen Aufschlag von 10 Prozent akzeptabel
       finden, würden nur noch etwas mehr als die Hälfte zugreifen, wenn die
       Preisdifferenz 11 Prozent beträgt. Wenn ein fair gehandeltes Produkt um ein
       Drittel teurer ist als sein konventionelles Pendant, würden es nur noch 20
       Prozent der befragten Verbraucher kaufen.
       
       Speck kritisiert, dass viele Verbraucher widersprüchliche Erwartungen
       hätten. „Sie verlangen in Afrika oder in Lateinamerika einen ähnlichen
       Standard wie hier, aber die daraus resultierenden Preise wäre niemand
       bereit zu zahlen.“ Gepa denke daher über eine Sonderprämie nach, etwa für
       die Verbraucher, die es sich leisten können. Man versuche gerade
       herauszufinden, wie hoch dieser Zusatzpreis sein müsste, damit es
       signifikante Verbesserungen auch für die Landarbeiter gibt.
       
       Unterdessen wächst die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten. Im
       vergangenen Jahr ist der Umsatz laut Transfair gegenüber dem Vorjahr um 23
       Prozent gestiegen, auf rund 654 Millionen Euro.
       
       2 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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