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       # taz.de -- AfD und FDP nach der Europawahl: Der Kampf ums Liberale
       
       > Die AfD sieht sich nach der Wahl als „neue Volkspartei“ – und konkurriert
       > mit der FDP um den liberalen Platz im Parteiensystem.
       
   IMG Bild: Werden vorerst keine Freunde: AfD-Chef Bernd Lucke und FDP-Eurospitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff (v.l.n.r.)
       
       BERLIN taz | Am Dienstag wird Bernd Lucke nach Brüssel fahren. Noch am
       gleichen Tag will er Gespräche über eine künftige Fraktion führen, mit den
       britischen Tories und der Niederländischen Partei ChristenUnie. Es soll
       jetzt schnell gehen, nach dem Einzug der Alternative für Deutschland (AfD)
       ins Europaparlament. Man sei ja eine „Partei mit Gestaltungswillen“. Es
       soll beweisen, dass die AfD nicht nur Protestpartei ist: gegen den Euro,
       gegen Brüssel, gegen Einwanderung.
       
       Die sieben AfD-Abgeordneten, die nun nach Brüssel ziehen, versuchen auf
       ihrer Pressekonferenz am Montag in Berlin daran ohnehin jeden Zweifel zu
       zerstreuen. „Zum ersten Mal in der Geschichte des Europaparlaments“, tönt
       der Ko-Spitzenkandidat der AfD, Hans-Olaf Henkel, ziehe mit seiner Partei
       „Kompetenz“ nach Brüssel. Und Lucke ruft seine Partei erneut zur „neuen
       Volkspartei“ aus. Eine reichlich hochmütige Deutung für eine
       7-Prozent-Partei, die erstmals in ein Parlament einzieht.
       
       Eher gedrückt geht es bei der FDP im Thomas-Dehler-Haus in Berlin zu. Gut 3
       Prozent ist kein Ergebnis, das man schönreden kann, noch nicht einmal die
       wendige und wortgewandte FDP-Spitze. Parteichef Christian Lindner sagt,
       dass die Europawahl in den Gremien „mit Enttäuschung bilanziert“ wurde.
       Immerhin habe es der FDP-Kandidat für die Bürgermeisterwahl in Dessau in
       die Stichwahl geschafft. Doch ein überzeugender Trost sind die Aussichten
       der FDP in Dessau auch nicht.
       
       Lindner steht die Rolle des scharfzüngigen, vorwärtsdrängenden Angreifers.
       Aber die ist jetzt nicht gefragt. Es gilt eine Niederlage zu erklären. „Wir
       hatten keinen Erfolg, aber wir haben Grundüberzeugungen“, sagt der
       FDP-Chef. Das war früher auch mal anders. Lindners Deutung zielt in
       Richtung AfD. Die, so der FDP-Chef, habe „ein Gesellschaftsbild aus der
       Adenauer-Zeit“. Die FDP bleibe pro Euro, pro EU, unbeirrt.
       
       ## Zulauf aus allen Parteien
       
       Ein Problem der Liberalen ist, dass sie in der Eurofrage gespaltener ist,
       als es die Spitze wahrhaben will. Als sie vor zwei Jahren ihre Mitglieder
       befragte, zeigte sich, dass 45 Prozent auf dem Kurs des FDP-Euroskeptikers
       Frank Scheffler waren. Über die AfD redet man im liberalen Hauptquartier
       eher ungern. „Unser Gegner ist die Große Koalition“, sagt Parteichef
       Lindner. Das klingt, für eine 3-Prozent-Partei, auch etwas hochmütig.
       
       Dabei hat die FDP gerade erneut Stimmen an die AfD verloren. Bereits zur
       Bundestagswahl waren 430.000 FDP-Wähler zu den Eurokritikern gewandert. Zur
       Europawahl waren es nun noch mal 60.000. Mehr Stimmen holte die AfD diesmal
       aber noch von der Union (510.000), SPD (180.000) und Linkspartei (110.000).
       
       „Aus allen Schichten“ erhalte die AfD heute Zulauf, frohlockt Lucke. Seiner
       Partei verleiht er drei Attribute: „Freiheitlich, sozial, wertorientiert.“
       Offen bleibt, ob die AfD diese Werte mit Leben füllen kann. Als Lucke auf
       der Wahlparty über den Euro sprach, über „Strukturanpassungsprogramme“ und
       „fiskalische Solidität“, erlahmte die Stimmung merklich. Der Euro allein
       dürfte auf Dauer die AfD-Anhänger nicht halten.
       
       Für die AfD ist Brüssel nun ein entscheidender Ort geworden. Dort wird sich
       zeigen, wie offen die Euroskeptiker nach rechts sind. Lucke will zwar ein
       Bündnis mit den britischen Tories, doch ein Hintertürchen lässt er am
       Montag offen – eine Fraktion mit der Ukip schließt er nicht mehr explizit
       aus. In der AfD-Neufraktion sitzt mit Marcus Pretzell auch ein offener
       Freund der britischen Rechtaußen und jüngsten Wahlsieger. Ein Bündnis mit
       Ukip würde die AfD weiter nach rechts öffnen – und für Liberale in
       Deutschland schwerer wählbar machen.
       
       ## Bestes Ergebnis in Sachsen
       
       In der Partei schauen einige bereits noch weiter. Das Europa-Ergebnis sei
       „ein Stück weit auch Protestwahl“, räumt AfD-Vize Alexander Gauland ein.
       Entscheidender seien die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und
       Brandenburg. Gerade auf Sachsen richtet die AfD Hoffnungen: Mit 10,1
       Prozent holte sie hier am Sonntag das beste Landesergebnis.
       
       Das Bundesland ist es auch, in dem die nächste Runde zwischen FDP und AfD
       ausgetragen wird. Dort sitzt die FDP noch in der Landesregierung – es ist
       die letzte Regierungsbeteiligung der FDP. Dort zu scheitern, wäre
       schmerzhaft. Am Sonntag langte es in Sachsen nur zu 2,6 Prozent. Ein
       Absturz – wie auch in vielen Städten zur Kommunalwahl.
       
       Die Strategie der FDP heißt dennoch: durchhalten. Und hoffen, dass die AfD
       irgendwann zerfällt. „Wir jagen der AfD nicht hinterher“, sagt Lindner. Die
       FDP hält Kurs. Auch wenn das Schiff leck ist.
       
       27 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Stefan Reinecke
       
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