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       # taz.de -- Kunstaktion für syrische Flüchtlingskinder: „Und die Familien?“
       
       > Es ist gut, dass wieder über Syrien gesprochen wird, sagt Baschar
       > al-Tammawi. Doch die Aktion des Zentrums für Politische Schönheit sei
       > schwer auszuhalten.
       
   IMG Bild: Kinder in Deir al-Zor, die die zweite Rebellenstadt nach Homs sein soll, die fällt
       
       taz: Herr al-Tammawi, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Aktion
       des Zentrums für politische Schönheit hörten? 
       
       Baschar al-Tammawi: Wer wählt die Kinder aus? Nach welchen Kriterien? Und
       dann: Was ist mit den Familien der Kinder? Keine syrische Familie wird ihre
       Kinder hergeben, was für eine absurde, grausame Idee! Kurz darauf habe ich
       verstanden, dass es sich um Satire handelt. Da war ich sehr erleichtert.
       
       Wie finden Sie die Aktion? 
       
       Nun, das Positive ist, dass wieder über Syrien gesprochen wird. Alles, was
       Aufmerksamkeit bringt, ist gut. Andererseits finde ich die Aktion auch
       schwer auszuhalten.
       
       Warum das? 
       
       Weil es mir scheint, als ob jetzt in Deutschland vor allem über das Zentrum
       für politische Schönheit und über Sinn und Unsinn von Satire diskutiert
       wird – und nicht über den Völkermord, der in Syrien verübt wird, Tag für
       Tag. Deutschland hat eine Verantwortung, schon als Mitglied der EU. Und die
       EU tut noch immer so gut wie nichts für den Schutz der Zivilisten in
       Syrien. Das sollte im Zentrum der Diskussionen stehen.
       
       Sie kommen aus Deir al-Zor, haben dort lange im Feldkrankenhaus der
       Rebellen als einziger operierender Arzt gearbeitet. Wie ist die Situation
       dort? 
       
       Sehr schlecht. Ich telefoniere fast täglich mit Kollegen, und wir müssen
       davon ausgehen, dass das Regime sich auf eine Großoffensive gegen meine
       Stadt vorbereitet. Deir al-Zor ist strategisch wichtig, denn es gibt dort
       Öl, Gas und außerdem werden Getreide und Baumwolle angebaut. Nach Homs soll
       es die zweite Rebellen-Stadt sein, die fällt.
       
       Was macht Sie da so sicher? 
       
       Die Kämpfe nehmen massiv zu. Die Stadt ist ja geteilt: das Regime kämpft
       mit Radikalfundamentalisten von Isis und der Hisbollah gegen den Teil, der
       von Rebellen kontrolliert wird. Hier hat inzwischen die islamistische
       Al-Nusra-Front die Oberhand. Außerdem kursiert seit Neuestem ein Video mit
       einem neuen Kampflied, das den Sieg über Deir al-Zor ankündigt – genauso
       wie vor der Einnahme von Homs. Das ist absolut ernst zu nehmen.
       
       Wie viele Zivilisten leben derzeit in Deir al-Zor? 
       
       Im vom Regime kontrollierten Teil etwa 200.000, in dem der Rebellen rund
       10.000. Egal ob das Regime oder Al-Nusra gewinnen: Für sie ist beides eine
       Katastrophe, denn beide werden Massaker anrichten. Die Versorgungslage ist
       schon jetzt katastrophal. Die internationale Gemeinschaft weiß all das, die
       Ereignisse in Syrien werden nicht zuletzt von den USA via Satelliten genau
       verfolgt. Aber sie tun nichts, um den Zivilisten zu helfen. Wenn die Aktion
       der Zentrums für politische Schönheit dazu beiträgt, dass das in
       Deutschland verstanden wird, dann ist etwas erreicht worden.
       
       22 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ines Kappert
       
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