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       # taz.de -- Haitianer in Dominikanischer Republik: Rücknahme einer Diskriminierung
       
       > Haitianisch-stämmigen Bewohnern der Dominikanischen Republik sollte die
       > Staatsbürgerschaft entzogen werden. Dies wurde nun gestoppt.
       
   IMG Bild: Santo Domingo, vor zwei Wochen: DominikanerInnen mit haitianischen Vorfahren demonstrieren für ihre Rechte.
       
       SANTO DOMINGO taz | Etwa einer viertel Million Dominikanern mit
       haitianischen Eltern wird jetzt doch nicht die Staatsbürgerschaft
       rückwirkend aberkannt. Mit diesem überraschenden Gesetzesbeschluss hat das
       Parlament des zweitgrößten Karibiklandes am Mittwoch ein Urteil des
       obersten Verfassungsgerichtes de facto außer Kraft gesetzt.
       
       Die Richter hatten im September beschlossen, das Recht, wonach alle im Land
       geborenen Kinder Staatsbürger sind, den Kindern haitianischer Einwanderern
       nachträglich zu verweigern.
       
       Das Urteil war ergangen, weil eine junge Frau, Juliana Dequis Pierre,
       dagegen geklagt hatte, dass ihr eine Geburtsurkunde verweigert wurde. Ohne
       diese Bescheinigung kann man in der Dominikanischen Republik weder zur
       Schule oder zur Universität gehen, noch ein Bankkonto eröffnen oder eine
       Arbeitsstelle antreten.
       
       Die Eltern der 30 Jahre alten Frau waren mit offizieller Genehmigung aus
       Haiti in die Dominikanische Republik eingereist, um auf den
       Zuckerrohrfeldern zu arbeiten. Mit dem Arbeitsausweis war Dequis im
       Geburtsregister eingetragen worden und galt danach als dominikanische
       Staatsbürgerin. Früher hatten sämtliche im Land geborenen Kinder mit
       Ausnahme von Diplomaten und „Personen im Transit“ automatisch einen
       Anspruch auf Staatsbürgerschaft.
       
       ## Rückwirkend bis 1929
       
       Mit einem 2010 in Kraft getretenen Gesetz, dass sich speziell gegen die
       große Zahl illegaler Einwanderer aus Haiti richtete, wurde diesen das Recht
       abgesprochen. Obwohl ihr Vater offensichtlich nicht illegal eingereist war,
       verlor Dequis plötzlich den Status einer Staatsbürgerin und konnte auch
       ihre Kinder nicht mehr ins Einwohnerregister eintragen lassen. Dagegen
       hatte sie vor dem Verfassungsgericht geklagt und verloren.
       
       Für internationale Empörung sorgte das Grundsatzurteil vor allem deshalb,
       weil es rückwirkend bis 1929 auf alle haitianischen Einwanderer angewendet
       werden sollte und die für das Melderegister zuständige Wahlbehörde sofort
       begann, die entsprechenden Ausweispapiere einzuziehen. Die
       interamerikanische Menschenrechtskommission hatte daraufhin die Regierung
       der Dominikanischen Republik nach Washington vorgeladen und schriftlich
       kritisiert.
       
       Während die politisch starke dominikanische Rechte den ausländischen Druck
       als „imperialistische Einflussnahme“ brandmarkte, suchte die Regierung nach
       einem Ausweg, das Verfassungsurteil zu akzeptieren, die Folgen des Urteils
       aber abzuschwächen.
       
       Das neue Gesetz stellt fest, dass alle Personen, die offiziell eine
       Geburtsurkunde bekommen haben, auch wenn dies „rechtswidrig erfolgt“ sei,
       als Staatsbürger anerkannt werden. Die Standesbeamten hätten damals in
       Unkenntnis der wirklichen rechtlichen Lage gehandelt, heißt es
       beschönigend.
       
       Auch Juliana Dequis Pierre und ihre Kinder sollen jetzt ihre
       dominikanischen Ausweise erhalten. Die arbeitslose Frau ist noch skeptisch.
       „Ich glaubt das erst, wenn ich meine Ausweispapiere in der Hand habe“,
       sagte sie am Mittwoch nach Bekanntwerden des Parlamentsbeschlusses.
       
       22 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hans-Ulrich Dillmann
       
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