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       # taz.de -- Prozess gegen US-Occupy-Aktivistin: Drei Monate Gefängnisinsel
       
       > Cecily McMillan soll einen Polizisten mit dem Ellenbogen verletzt haben.
       > Am Montag wurde sie zu drei Monaten Haft verurteilt. Sie will das Urteil
       > anfechten.
       
   IMG Bild: Occupy-Aktivistin Cecily McMillan und ihr Anwalt Martin Stolar.
       
       NEW YORK taz | Drei Monate auf der Gefängnisinsel Rikers Island und fünf
       Jahre Freiheit auf Bewährung. So lautet das Urteil gegen Cecily McMillan,
       das am Montag (Ortszeit) in New York verhängt wurde. Die 25-jährige
       Studentin ist die einzige Beteiligte von rund 3.000 festgenommenen
       Occupy-Wall-Street-AktivistInnen, die wegen eines Gewaltverbrechens ins
       Gefängnis muss. Sie soll einen Polizeioffizier absichtlich mit dem Ellbogen
       geschlagen und ihm ein blaues Auge, Kopfschmerzen sowie mehrere Tages
       Dienstunfähigkeit beschert haben.
       
       „Ich kann kein Verbrechen gestehen, das ich nicht begangen habe“, erklärte
       die junge Frau am Tag der Urteilsverkündung. Sie bestreitet nicht, dass sie
       den Polizisten Grantley Bovell mit ihrem Ellbogen geschlagen hat, doch für
       sie sei das eine instinktive Selbstverteidigung gewesen, denn zuvor habe
       der Polizist von hinten an ihre rechte Brust gegrabscht. 
       
       Ein Video der Occupy-Bewegung zeigt nicht eindeutig, wie die Szene im New
       Yorker Zuccotti Park begonnen hat. Aber es zeigt wie der Polizist die ganz
       in grün gekleidete junge Frau am Abend des Sankt-Patrick-Tags traktiert und
       wie ihre am Boden sitzenden Mit-DemonstrantInnen mahnend rufen: „Hier gibt
       es eine gebrochene Rippe“. 
       
       Am 17. März, exakt sechs Monate nach dem Beginn der Besetzung des Zuccotti
       Parks im Finanzdistrikt von Manhattan, hatten rund 100 Occupy-AktivistInnen
       versucht, ihren Platz erneut zu besetzen. Die Polizei griff hart durch. Es
       gab zahlreiche Festnahmen und mehrere Verletzte. Cecily McMillan gehörte zu
       beiden Gruppen. Für sie endete die Demonstration mit zwei Tagen, während
       derer die Polizei sie in Handschellen zwischen Wachen und Notaufnahmen von
       Krankenhäusern hin und her transportierte.
       
       Fünf Tage später zeigte die wieder frei gelassene McMillan in einem
       Interview in dem Fernsehsender „Democracy Now“ ihre blauen Flecken auf der
       rechten Brust und an beiden Armen. Sie klagte über Rückenschmerzen, eine
       geprellte Rippe, Schlaflosigkeit und weitere Traumafolgen. 
       
       Polizeioffizier Bovell war trotz seines blauen Auges nach der Begegnung mit
       McMillan offenbar noch kräftig genug, um am selben Abend einen anderen
       Demonstranten, mit dem Kopf gegen einen Polizeiwagen zu hauen. In einem
       getrennten Verfahren geht der betroffene Demonstrant Austin Guest deswegen
       gegen den Polizisten vor, doch in dem Prozess gegen McMillan durfte dieses
       andere Verfahren auf richterlichen Entscheid ebenso wenig angesprochen
       werden wie eine Verfolgungsjagd, bei der der Polizist Bovell einen
       17-jährigen Motorradfahrer gerammt hat, wobei dem Teenager die Nase
       gebrochen und zwei Zähne ausgeschlagen wurden. 
       
       Vor Gericht trat Polizist Bovell mit freundlichem Lächeln auf. Er erklärte
       dem Gericht, McMillan habe ihn „absichtlich“ geschlagen. Bevor sie ihn mit
       ihrem Ellbogen traktierte, habe sie MitdemonstrantInnen zugerufen: „Filmt
       das“. Die Anklage unterstellte der jungen Frau, sie habe sich ihre
       Verletzungen selbst zugefügt. Staatsanwältin Shanda Strain spricht von
       McMillan als „Lügnerin“, die sich mit falschen Anschuldigungen des
       „Meineids“ schuldig gemacht habe.
       
       Doch in der Occupy-Bewegung ist McMillan eine Ikone geworden. 175.000
       Menschen haben in den Tagen vor der Verkündung des Strafmasses an New Yorks
       Bürgermeister, Bill de Blasio, und an Gouverneur, Andrew Cuomo, appelliert,
       damit die sich für ihre Freilassung einsetzten. „Eine junge Frau ist
       sexuell belästigt und dann festgenommen worden“, heisst es in der Petition.
       
       ## Bitte um mildes Urteil
       
       Das Geschworenengericht hat McMillan schon Anfang Mai eines Angriffs auf
       einen Polizisten für schuldig befunden und sie ohne Möglichkeit einer
       Kaution sofort ins Gefängnis geschickt. Mit dem Urteil könnte sie bis zu
       sieben Jahren ins Gefängnis kommen, doch neun der zwölf Geschworenen
       schrieben einen Brief an Richter Ronald Zweibel, in dem sie ihn um „Milde“
       baten.
       
       Im Gefängnis hat McMillan unter anderem Besuch von zwei Mitgliedern von
       „Pussy Riot“ bekommen. Maria Alyoklina und Nadia Tolokonnikova, die zwei
       Jahre in russischen Gefängnissen verbracht haben, bezeichneten die junge
       US-Amerikanerin nach ihrem Besuch als „politische Gefangene“. McMillan,
       Mitglied der jungen demokratischen Sozialisten, war im Sommer 2011 zum
       Studium nach New York gekommen und hatte sich unmittelbar danach der
       Occupy-Bewegung angeschlossen. Ihr Urteil will sie anfechten.
       
       20 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
   DIR New York
   DIR Haftstrafe
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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   DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
   DIR Schwerpunkt Occupy-Bewegung
       
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