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       # taz.de -- Soll das Tempelhofer Feld frei bleiben?: Pro: Die Freifläche ist ein Juwel
       
       > In sechs Tagen stimmen die Berliner über die Zukunft des Tempelhofer
       > Felds ab. Sie haben sich noch nicht entschieden, wie Sie abstimmen? Die
       > taz hilft. 
       
   IMG Bild: Können Sie die Erdkrümmung in der Weite des Feldes erkennen?
       
       Politische Entscheidungen sind immer eine Frage der Abwägung. So auch beim
       ehemaligen Flugfeld in Tempelhof. Die Freifläche ist ein Juwel, über das
       keine andere Stadt verfügt. Trotzdem mag es Argumente geben, die dafür
       sprechen, diesen Schatz aufzugeben: wenn man dafür etwas Besseres bekommt.
       Günstige Wohnungen etwa, einen schöneren Park oder tolle Radwege.
       
       Beginnen wir mit den Radwegen. Der Senat plant eine Route vom Columbiadamm
       im Norden zum Südrand des Feldes. Er wäre Teil einer sogenannten
       Radialroute, die vom Schlossplatz bis nach Mahlow führen soll. Insgesamt
       soll es mal zwölf solcher Strecken geben. Die erste wurde schon vor neun
       Jahren eingeweiht, derzeit gibt es gerade einmal fünf. Relevant für Radler
       ist keine davon. Denn für die Radialrouten werden keine tollen Wege gebaut,
       sondern meist nur ein paar Schilder aufgestellt, die einen Weg durch ruhige
       Seitenstraßen weisen.
       
       Zwar wäre auf dem Tempelhofer Feld neben den Schildern noch Platz für einen
       echten Radweg. Doch da kann man schon jetzt prima radeln, wenn auch in
       einem Bogen. Und vor motorisiertem Verkehr muss bisher auf dem Feld niemand
       geschützt werden. Es sei denn, es wird gebaut, denn mit den Häusern kommen
       auch die Autos. Die Situation für Radfahrer würde sich also eher
       verschlechtern statt verbessern. Ein guter Deal ist das nicht.
       
       Kommen wir zum Park. Vielen Berlinern fällt es schwer, die Leere des Feldes
       auszuhalten. Bei Landschaftsplanern, Architekten oder Städtebauern sprudeln
       die Ideen: ein Bassin, ein Berg, ein Häusermeer. Gestalten, das heißt für
       die Profis bis heute nur: umgestalten.
       
       Dabei geht es auch anders. Vor hundert Jahren deklarierte der französische
       Künstler Marcel Duchamp einen Flaschentrockner zum Kunstwerk – ohne ihn zu
       verändern. In der Stadtplanung muss sich die Liebe zum Objet trouvé erst
       noch durchsetzen – zum Beispiel per Volksentscheid.
       
       Denn was bekäme man, wenn man Bäume und Bänke aufstellt? Einen Park wie in
       der Hasenheide, gleich nebenan. Man bekommt also das Gewöhnliche und
       verliert das Einmalige. Ein guter Deal ist auch das nicht.
       
       Diskussionswürdig bleibt somit nur die Bebauung. Gegen die ständig
       steigenden Mieten könnten die vom Senat geplanten 4.700 Wohnungen
       tatsächlich ein wenig helfen. Mehr aber auch nicht. 2013 wurden stadtweit
       Baugenehmigungen für 12.000 neue Wohnungen erteilt. Auf zehn Jahre
       hochgerechnet sind das 120.000. Ob dann noch weitere 4.700 in Tempelhof
       entstehen, fällt mengenmäßig kaum ins Gewicht.
       
       Da aber derzeit fast ausschließlich frei finanzierter Neubau zu
       entsprechenden Preisen entsteht, wäre es umso wichtiger, dass hier
       sozialpolitisch ein Zeichen gesetzt wird: Wenn der Senat auf dem Feld den
       Ausverkauf landeseigener Grundstücke stoppt und die Areale ausschließlich
       in Erbpacht vergibt. Wenn er nur landeseigene Gesellschaften oder
       Genossenschaften bauen lässt. Wenn er das Ganze mit einem revolvierenden
       Fonds finanziert, an den spätere Einnahmen zurückfließen, sodass weitere
       Gebäude finanziert werden können. Das wäre die dringend benötigte,
       nachhaltig wirkende Revolution in der Wohnungspolitik.
       
       Da könnte man als Feldliebhaber glatt ins Zweifeln kommen – wenn es denn
       zur Wahl stünde. Das Gesetz, das das Abgeordnetenhaus als Alternative zum
       Volksbegehren zur Abstimmung stellt, hat aber gerade mal drei Paragrafen.
       Sie regeln den Erhalt der Freifläche in der Mitte. Zum Wohnungsbau am Rand
       findet sich kein einziges Wort. Dieses Gesetz ist nichts anderes als ein
       Freifahrtschein für die Landesregierung, irgendwas da hinzuklotzen. Nur wer
       das okay findet, kann ruhigen Gewissens für das Gesetz des
       Abgeordnetenhauses stimmen. Für alle anderen bleibt nur eins: ein Ja zum
       Volksentscheid.
       
       19 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
       
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