# taz.de -- Menschliche Keimzellen als Ware: Doch kein Spermapatent
> Erst nach drei Jahren und Klagen zieht das Europäische Patentamt ein
> Recht auf menschlichen Samen zurück. Doch es wird weitere Patente geben.
IMG Bild: Sie lassen sich mit der patentierten Methode nach Geschlecht sortieren: Spermien unterm Mikroskop.
BERLIN taz | Das Europäische Patentamt hat nach Protesten das Patent einer
britischen Firma auf menschliche Spermien widerrufen – und damit
eingestanden: Die Behörde hätte dieses Monopolrecht zur wirtschaftlichen
Verwertung menschlicher Keimzellen nie erteilen dürfen. „Das Patent stand
nicht im Einklang mit dem Patentrecht“, sagte Sprecher Rainer Osterwalder
nach einer Entscheidung der Einspruchsabteilung des Münchner Amtes am
Donnerstag.
Dieses Eingeständnis dürfte die Kritik an der Behörde befeuern, die bereits
mehr als 2.300 Patente auf Tiere, Pflanzen und menschliche Samen vergeben
hat. Das gilt auch für den Fall, dass die Inhaberin des Schutzrechts auf
die Spermien, das Unternehmen Ovasort, noch Beschwerde einlegt. Christoph
Then, Geschäftsführer des Vereins Testbiotech, der den Einspruch gegen das
Patent eingelegt hatte, hält eine Beschwerde für unwahrscheinlich, da
Ovasort bisher nicht versucht habe, das Patent aufrechtzuerhalten.
Das Patentamt hatte 2011 das Schutzrecht auf eine Methode zum Sortieren
sowohl menschlicher als auch tierischer Spermazellen nach Geschlecht
erteilt. Der Patentschutz erstreckte sich ausdrücklich ebenso auf die mit
dem Verfahren ausgewählten Spermien. Deshalb durfte nur Ovasort diese
Zellen nutzen, mit denen sich das Geschlecht von Nachkommen festlegen
lässt.
Durch das Patent werde „der Mensch zur Ware“, sagte
TestBiotech-Geschäftsführer Then der taz. Deshalb verbietet das Europäische
Patentübereinkommen und die Biopatentrichtlinie der EU Schutzrechte auf den
menschlichen Körper – auch seiner Keimzellen. Dass deswegen das
Spermienpatent illegal war, räumte nach drei Jahren nun das Patentamt ein.
Warum das Patent dennoch vergeben wurde? Amtssprecher Osterwalder hat
darauf keine Antwort. Then sagt: „Das Patentamt verdient an der Erteilung
von Patenten.“
## Jungen bevorzugt
Nach der jetzigen Entscheidung ist es zumindest unwahrscheinlich, dass das
Amt weitere Schutzrechte auf menschliche Spermien durchwinkt. Aber es wird
wohl weiter Verfahren zur Geschlechtsauswahl von Menschen und Tieren
patentieren. Denn das hält die Einspruchsabteilung der Behörde für erlaubt.
Tierzüchter können solche Methoden anwenden, aber auch
Reproduktionsmediziner, die Erbkrankheiten verhindern wollen, die an
bestimmte Geschlechtschromosomen gebunden sind.
TestBiotech-Experte Then befürchtet, dass langfristig Eltern auch aus
anderen Gründen mit der Methode das Geschlecht ihres Nachwuchses festlegen
könnten – etwa, um Jungen zu bevorzugen. Das Patent mache diese Möglichkeit
wahrscheinlicher, weil „ein Unternehmen dann einen viel stärkeren Anreiz
hat, einen größeren Markt für das Verfahren zu suchen“, warnt Then.
15 May 2014
## AUTOREN
DIR Jost Maurin
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